2194 - Der Vierte Inquisitor
Atem an wie die anderen auch.
Jallon hatte das Bild, das ihm einer der letzten, am Zugang der Kaserne postierten Katsugos übermittelte, auf den Holoschirm der Subzentrale gelegt.
Im gleichen Moment, in dem sie die groteske Prozession erblickten, spürten sie es alle.
Es begann mit einem Zerren im Kopf. Nicht direkt schmerzhaft; ziehend, aber fast sanft. Als würden sie von einem Netz berührt, gestreift nur, von einem hauchdünnen Netz aus Spinnweben, das jemand mit leichter Hand ausgeworfen hatte, beiläufig, heiter und ungezielt.
Noch ...
Denn schon in diesem ersten, kurzen Tasten lag, wie ein verhaltenes Versprechen, das Vorgefühl einer ungeheuren Gier. Ein zarter, kaum merklicher Sog, ein Ziehen, das sich jedoch, erkannte Reca augenblicklich, in ein ungezügeltes, gnadenloses Reißen verwandeln konnte. In ein Saugen und Schlemmen, Verschlingen und Verzehren, das nichts von ihrer Seele übrig lassen würde, wenn es sie erst einmal gepackt hatte. 'Und zugleich war es ... schmutzig. Obszön. Uralt, ungewaschen, nach Tod und Verwesung stinkend. „He!", rief Jallon. „Was ...?"
Das Bild fiel aus. Das Gefühl, mental betatscht und besudelt zu werden, blieb. „Ein Inquisitor", sagte Reca leise.
Roxo Quatron hatte berichtet, einem solchen Monstrum auf Sharamandie nur knapp entgangen zu sein. „Paratrons an, sofort!", rief sie.
Hutkin, Vierter Inquisitor des Reiches Tradom, wandelte durch die Randbezirke der Festung. Im Triumphzug.
Gut, seine Eskorte mochte nach außen hin gebrechlich wirken. Die X'Valenter schleppten sich mehr voran, als sie gingen. Nur mit Mühe und unter Schmerzen setzten sie Fuß vor verkrüppelten Fuß.
Aber das schadete nichts. Im Gegenteil, das war richtig so.
Macht entstand aus Qual. So war es immer gewesen.
Immer? Natürlich. Seit Hutkin denken konnte, litt er Hunger. Seine Gier nach Leben ließ sich für kürzere Zeitspannen zurückdrängen, besänftigen, minimieren, doch letztlich war sie unstillbar.
Seine Macht, die Macht der Inquisitoren, ja der Inquisition an sich, beruhte auf Qualen, auf Schmerz und Pein.
Mit den X'Valentern, seinen Geschöpfen, verhielt es sich ganz ähnlich.
So hinfällig und gemartert sie erschienen, so mächtig waren die Mutanten, einzeln und erst recht im Verbund. Die Schutzschirme der feindlichen Vorposten knackten sie, lange bevor deren Zielsysteme sie erfassen konnten, so zuverlässig und problemlos wie eine Austernzange die Schalen einer ...
Auster?
Was soll das sein? Egal.
Handelte es sich bei der feindlichen Einheit um einen Roboter, zündeten ihn die X'Valenter praktisch zeitgleich wie den Schirm. Mit den Kampfgleitern der Terraner verfuhren sie genauso.
Wenn sich unter der energetischen Sphäre aber ein Lebewesen befand ...
Der Druck auf Anguelas Kopf verstärkte sich, je näher die abscheuliche Prozession der Valenter kam. Es.fiel ihm zunehmend schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen, trotz der Schutzschirme.
Wie war das möglich? Sollten Paratrons und Paradimpanzer nicht eigentlich jegliche Angriffe neutralisieren, auch ultrahochfrequent hyperenergetische?
Aber diese dunkle, so entsetzlich hungrige Geistesmacht will gar nicht ins Innere der Schirme eindringen, versuchte er sich das Unbegreifliche begreiflich zu machen. Sie saugt im Gegenteil etwas heraus! Durch winzige Strukturlücken und entsprechend langsam.
Solange die Schirme hielten, hatten sie dennoch nicht viel zu befürchten. Der bleierne Schmerz, so unangenehm er war, ließ sich einigermaßen ertragen. Einige der bemitleidenswert missgestalteten Geschöpfe hingegen, die vor der Sänfte einherwackelten, waren den Strapazen offensichtlich nicht mehr gewachsen. Sie fielen um und blieben liegen, ohne dass sich ein Einziger ihrer Artgenossen um sie gekümmert hätte.
Recas Aufschrei ließ Anguela zusammenzucken. „Verdammt, was ist mit den Tradom-Robotern los?
Jallon! Warum lässt du sie nicht angreifen?"
„Das will ich ja. Ich kann sie auch in Position bringen. Aber sie feuern nicht. Offenbar sind diese Gnomen und die schwarze Sänfte für sie tabu."
„Verstehe. Anguela?"
„Ich kann... nichts dagegen unternehmen. Die entsprechende Programmierung befindet sich in ... jeder einzelnen Maschine", antwortete er stockend. „Sie ist nach meiner Zeit eingegeben worden. Deshalb besitze ich dafür leider keine Kodes."
„Soll das heißen, wir haben nichts mehr außer zwei Dutzend Katsugos, ein paar havarierten TARAS und uns selbst?"
Niemand antwortete, nicht einmal
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