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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mich mit sich fortziehen, während seine Gefährten nun auch von ihren Pferden stiegen; ich machte mich aber von ihm los und sagte:
    „Höre mich an! Vor allem, die hier bei uns stehen! Was ich sage, ist wie ein Schwur. Ich nehme nichts davon und tue nichts dazu!“
    „Was? Sage es!“
    In seinen Augen flimmerte ein ungewisses Licht. Er befand sich in großer Aufregung. Er konnte sie kaum beherrschen. Das benutzte ich, indem ich fortfuhr:
    „Es gibt für dich drei mächtige Personen. Die eine bist du selbst; die andere bin ich, und die dritte ist unser Esara el Awar in Korna. Du mußt wünschen, daß keiner von diesen dreien der Gegner eines der beiden anderen sei. Nun stelle dich so zu mir, wie es dir gefällt! Ich bin Gast der Dschamikun. Ihr Feind ist mein Feind. Du kommst als Bluträcher, also als mein Feind! Du hast die Feindschaft sogar so weit getrieben, diesen Ort hier durch die Hufe eurer Pferde zu entweihen. Mache das schleunigst wieder gut! Die Blutrache liegt zwischen mir und dir. Fordre Blut, oder fordre den Preis. Wir werden uns nach dieser Forderung richten und dir ebenso Blut oder Preis entgegenhalten. Durch eine Kugel vergossenes Blut ist nicht so teuer wie das Blut, welches an der Peitsche deines Sohnes hängt. Rache gegen Rache und Gnade gegen Gnade! Die Dschema der Dschamikun ist bereit, mit dir zu verhandeln, doch nicht heut. Es ist keine Zeit dazu. Aber in Beziehung auf mich kann ich dir schon jetzt, in diesem Augenblick sagen: Ich werde mit dir kein Wort über Esara el Awar sprechen, als bis du mir beweisen kannst, daß diese gegenseitige Forderung in Frieden und für immer ausgeglichen ist. Jetzt bin ich fertig! Ich werde sehen, was du tust!“
    Ich wandte mich ab und ging hinaus, die Stufen hinab und zwischen Rosen einen Weg entlang, der zu einem kleinen Rasenplatz führte. Dort setzte ich mich nieder. Das Stehen hatte mich müde gemacht.
    Über mir hingen herrliche Paskaleh-Rosen, deren Duft süß wie die Liebe und erquickend wie die Freundschaft ist, und zwischen ihnen große, dunkelrote Fritillarien-Glocken. Wie ist der Schöpfer dieser Blumenwelt so gütig und so lieb! Kann er derselbe sein, der auch die Menschenwelt erschuf? Oder ist die Blume nur deshalb ohne Sünde, weil es ihr, der nur sich Hingebenden, unmöglich ist, sich einen Unterschied zwischen Für und Gegen, zwischen Mein und Dein zu konstruieren? Könnte doch der Mensch so wie die Blume sein! Wie hatte vorhin der Ustad gesagt, indem er mir die Rose gab? War denn er so unendlich glücklich, in der Selbstüberwindung so weit gekommen zu sein, daß er kein eigenes Ich mehr kannte? Es stieg in mir das heiße Wünschen auf, doch einmal so sehr, so schwer, so bitter, so tief gekränkt zu werden, daß jeder, jeder andere es nicht erdulden und nicht ertragen könnte. Ich aber möchte dann die Selbstlosigkeit und das unerschütterliche, beglückende Gottvertrauen besitzen, alles still und heiter über mich ergehen zu lassen, als ob der Menschenhaß nur der naturnotwendige Schatten der Liebe Gottes sei. Die Sillan, diese Schatten, ruhig in den Ruinen Babels nach alten Ziegeln und Schriften, nach modernden Beweisen menschlicher Schwächen wühlen lassen, indem ich hier vom lieben, rosenduftumwobenen Beit-y-Chodeh hinauf zum herrlichen Alabasterzelt schaue und von unten herauf die Felsenstimme ertönt: „Steig auf zur Sonne. Amen!“
    Nach einiger Zeit stand ich wieder auf, um nach dem Tempel zurückzukehren. Ich ging nach der hintern Seite desselben und begegnete auf dem Weg dorthin vielen Frauen und Kindern, von denen einige mir sagten, daß ich von Tifl gesucht werde. Ich traf ihn schließlich selbst. Er war überall nach mir herumgelaufen, ohne mich zu finden.
    „Effendi, du wirst gebraucht“, rief er mir zu, noch ehe er mich erreicht hatte.
    „Von wem? Wozu?“ erkundigte ich mich.
    „Von dem Bluträcher. Er sagte, er habe mit dir zu sprechen.“
    „Aber ich nicht mit ihm. Ich bin mit ihm fertig. Wo ist er?“
    „Sie lagern oben am Waldrand. Sie haben unseren Peder gebeten, dem Fest zuschauen zu dürfen.“
    „Was? Wirklich? Das wäre ja ein Sieg für uns!“
    „So sagte auch der Peder. Ein Sieg, den wir dir verdanken. Er läßt dich bitten, den Bluträcher ja nicht abzuweisen, denn es sei höchst wahrscheinlich wirklich wichtig, was er dir zu sagen habe.“
    „So komm!“
    Als wir den Tempelbau erreichten, bemerkte ich zunächst, daß er nicht mehr von den Männern besetzt war. Sie hatten sich wieder zu ihren

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