22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Angehörigen in den Park zurückgezogen. Das war ein Zeichen, daß die Feindseligkeit, wenigstens für einstweilen, zu ruhen hatte. Wir traten hinten, da, wo die Pferde die Rosen niedergestampft hatten, hinaus auf die Matte. Da sah ich die Perser im Schatten der ersten Waldbäume sitzen. Der Multasim bemerkte mich, stand auf und kam herab; ich ging ihm langsam entgegen. Sein Gesicht war sehr ernst, doch nicht feindselig. In seinen Augen lag aber etwas Lauerndes. Wir standen nun voreinander.
„Ich schickte nach dir“, sagte er.
„Ich erfuhr es“, antwortete ich.
„Du hast uns in unserem Tun gestört. Ich habe nachgegeben. Nun möchte ich wissen, ob ich recht getan habe. Ich kenne euch. Woher, das wirst du wissen; wenn nicht, so kannst du es ahnen. Deine Vorsicht geht oft über alle List. Aber eine Lüge machst du nie. Ist das so?“
„Ja.“
„Wirst du jetzt lügen?“
„Nein. Warum fragst du das?“
„Weil ich die Wahrheit von dir wissen will.“
„Wenn ich überhaupt spreche, so wirst du nichts anderes von mir hören als nur sie.“
„Auch wenn es dein größter Schade wäre? Wenn es dein Leben kosten könnte?“
„Auch dann!“
Es war ein ganz eigenartiger Blick, mit dem er mich nun musterte. Lachte er innerlich mich aus? Oder zitterte irgend eine gute Saite seiner Seele?
„Ich glaube es“, nickte er. Dann fuhr er fort: „Ich will wissen, ob du ein Freund oder ein Feind von mir bist. Sage es!“
„Ich bin keines Menschen Feind. Ich hasse keinen bösen Menschen; aber das Böse in ihm kann ich nicht lieben.“
„Das will ich nicht wissen. Warst du vorhin gegen mich wahr oder listig?“
„Beides, wahr und listig.“
„Hast du einen Gruß an mich?“
„Ja. Aber er wurde nicht mir, sondern einem anderen anvertraut. Ich erfuhr zufällig von ihm.“
Das war keine Lüge, denn ich hatte einen Brief, und ein Brief enthält doch wohl noch mehr als bloß einen Gruß.
„So hast du dich zwischen mich und Esara el Awar eingedrängt?“
„Ja.“
„Weiß er davon?“
„Das verrate ich nicht. Er mag es dir selbst sagen.“
„Was weißt du alles von ihm und mir?“
„Hierüber schweige ich.“
„Bist du unser Verbündeter?“
„Nein.“
„Also unser Gegner? Ein drittes gibt es nicht. Ich verlange die Wahrheit von dir!“
„Ich sage sie. Ich habe mit euch nichts zu schaffen. Aber handelt ihr gegen die Gesetze und berührt meine Person dabei, so bekommt ihr es mit mir zu tun. Ich rate euch also, mich und meine Freunde in Ruhe zu lassen!“
Bis jetzt hatte er an sich gehalten. Er beherrschte sich auch noch; aber seine Augen blitzten; sein Gesicht verzerrte sich vor Haß, und er ballte die Fäuste.
„Also – – – Feind!“ knirschte er.
„Ja, wenn du es so nennst – – – Feind!“ antwortete ich ruhig.
„Weißt du, was das für dich bedeutet?“
„Ich weiß nur, wie gefährlich es für dich ist. Ich habe nichts zu fürchten.“
„Bin ich etwa nichts? Heut muß ich dir weichen. Heut muß ich verzichten. Du würdest mich sonst verraten. Aber es kommt eine andere Zeit. Und ich werde dafür sorgen, daß sie sehr bald kommt. Dann rechne ich mit dir ab. Bestehst du noch auf dem, was du vorhin sagtest?“
„Ja.“
„Daß ich mich zu vergleichen habe?“
„Unbedingt!“
Da streckte er mir die Hand hin. Seine Stimme zitterte.
„Hier nimm meine Hand. Es ist die Hand des ärgsten Feindes, den es für dich gibt. Du zwingst mich, auf die Blutrache gegen die Kalhuran und Dschamikun zu verzichten. Aber ich entsage nicht; ich werfe sie auf dich. Nimmst du sie an?“
Er stand vor mir wie einer, der sich kaum mehr zu beherrschen vermag. Ich ergriff seine Hand und antwortete:
„Ja. Ich nehme sie an.“
„Du weißt also, daß ich der Bluträcher gegen dich bin?“
„Ja.“
„So sei von dieser Stunde an gesegnet von allen Teufeln, die in des obersten Scheïtan tiefster Hölle wohnen. Du entgehst mir nicht!“
„Und du sei geleitet und geführt von den Engeln der Selbsterkenntnis und der göttlichen Barmherzigkeit. Der, welcher über allen Menschen steht, der steht auch über dir. Wehre dich, so viel du willst, ihm entgehst du nicht!“
„Hund!“
„Mensch!“
„Ich speie aus vor dir. Lecke es auf! Wenn nicht jetzt, so dann später. Ich werde dich dazu zwingen!“
Er spuckte vor mir nieder, warf mir die geballte Faust entgegen, drehte sich um und ging. Ich hatte Hafis Aram, den Scheik der Kalhuran, und sein Weib von der Blutrache erlöst. Dafür aber
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