22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
vornehmer Leute. Sie ritten teure Pferde. Wenn sie die Freunde des Multasim waren und sich seiner Sache annahmen, konnte ihr Einfluß bei Hofe dem Ustad und seinen Dschamikun wohl schädlich werden. Ich war außerordentlich gespannt darauf, zu sehen, wie er sich überhaupt verhalten und was er im besondern zu der rohen und rücksichtslosen Entweihung seines Tempels sagen werde. Konnte irgendeine Gelegenheit geeignet sein, ihn mir so zu zeigen, wie ich ihn kennenlernen wollte, so war es die gegenwärtige hier.
Einer von den zwölfen ritt einen hochgebauten turkmenischen Fuchs von, wie es schien, hochedler Tiukihrasse. Er war ein schöner Mann von gegen sechzig Jahren, schwarzgrau bebartet, sehr wohlhabend gekleidet und außer mit ausgelegten Schießwaffen mit einem krummen Säbel versehen, dessen von Steinen blinkende Scheide für sich allein ein kleines Vermögen bedeutete. Ich habe überhaupt keine besonders große Vorliebe für sogenannte schöne Männer, und wenn sie sich selbst bei gewöhnlichen Gelegenheiten so herausputzen wie dieser hier, so lasse ich sie am liebsten ihrer Selbstbewunderung über. Die wahre, edle Schönheit bedarf des Putzes und des Tandes nicht.
Dieser Mann war Ghulam el Multasim, der sich einbildete, mit zwölf Pferden den ganzen Widerstand der Dschamikun niederreiten zu können. Er sah sich, sobald sein Turkmene still stand, im Kreis um, nahm den Ustad scharf in das Auge und fragte ihn in strengem Ton:
„Wer bist du?“
Der Gefragte tat, als ob er ihn weder gehört noch gesehen habe, als ob er gar nicht vorhanden sei. Er sagte zum Peder:
„Reinige den Tempel! Sobald ich zurückkehre, wird die Feier dieses Freudentages beginnen.“
Hierauf ging er langsamen Schrittes hinaus zu seinen Rosen.
„Der ist taub!“ lachte der Multasim. Und sich nun an den Peder wendend, fragte er diesen:
„Wer war dieser alte Mann, der weder Augen noch Ohren zu haben scheint?“
Auch der Scheik antwortete nicht, wenigstens nicht durch Worte. Er tat einige Schritte bis vor die nächste Säule hinaus und wehte mit einer emporgehobenen Falte seines weißen Oberkleides zum hohen Hause hinüber. Das Zeichen wurde gesehen; die Glocken verstummten. Hierauf rief er den draußen in den Gängen des Parks wartenden Dschamikun einige mir nicht geläufige kurdische Worte zu. Das war ein Kommando, dem sie augenblicklich gehorchten. Sie besetzten im Nu und auf allen vier Seiten das Innere des Tempels in der Weise, daß für keinen Unbewaffneten ein Entkommen möglich gewesen wäre. Dann wandte er sich wieder zurück, sah dem Perser groß in die Augen und sagte:
„Der ehrwürdige Mann, der jede Roheit flieht, ist der Schah-in-Schah der Dschamikun, die ihn ihren Ustad nennen. Ich bin der Scheik desselben Stammes. Wer bist du?“
„Man pflegt mich Ghulam el Multasim zu nennen. Du wirst mich kennen!“
„Wenn du dieser bist, so kenne ich dich besser, als dir lieb sein kann! Weißt du, wo du dich befindest?“
„Der Ort ist mir gleichgültig!“
„Aber uns nicht!“
„Dieses Haus ist keine Moschee und keine Kirche!“
„Aber auch kein Pferdestall! Schaut euch um! Hier stehen zweihundert Dschamikun; da draußen noch weit mehr. Was habt ihr hier zu schaffen?“
Ghulam wurde unsicher. Er begann einzusehen, daß sein Einfall einen anderen Ausgang nehmen könne, als er gedacht hatte. Da aber zog einer der Reiter, der neben ihm hielt, seine Doppelpistole aus dem Gürtel, spannte beide Hähne und rief:
„Was sollen Worte! Wir sind Bluträcher. Namen zu nennen ist unnötig; aber ich bin Mirza (Prinz), und hier sind noch zwei andere, die auch Mirza sind. Was aber seid denn ihr?“
Der Peder sah ihm ruhig lächelnd in das Gesicht und antwortete:
„Mirza nennt sich heut ein jeder, dessen Urahne verurteilt worden ist, der spätere Mann eines früheren Weibes in Teheran oder Isfahan zu sein. Die Dschamikun aber sind ohne Ausnahme alle Prinzen, echte, wirkliche, wahre Prinzen, nicht einer unrühmlichen Abstammung wegen, sondern zufolge der edlen Zwecke, für welche sie leben und für welche sie jetzt auch zu handeln wissen werden!“
Das waren beleidigende Worte. Die Pistole war gespannt, die anderen elf besaßen wahrscheinlich mehr Mut als der Multasim. Es war für sie mit solchen Pferden und solchen Gewehren sehr wohl möglich, die sich ihnen entgegenstellenden Dschamikun niederzureiten. Und selbst wenn ihnen dieses nicht gelingen sollte, so mußte es, wenn es einmal zum Schießen kam, Tote und Verwundete geben.
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