22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
noch nie ein Tier von dieser Reinheit des Blutes gesehen. Ich muß es liebkosen. Verweigere mir das nicht!“
Da stand ich nun allerdings schnell auf, um ihm Platz zu machen und antwortete:
„Du bist dein eigener Herr und darfst natürlich tun, was dir beliebt. Als deinem Gaste ist es mir verboten, dich zu hindern.“
Jetzt schob er seinen Arm unter den Hals des Pferdes, welches diese Berührung zwar duldete, aber mit unwilligem Schnaufen beantwortete. Als er dann aber Assil anhauchte, schleuderte dieser ihn mit einer kräftigen Bewegung des Kopfes zur Seite, sprang auf und schlug mit den Hinterhufen nach ihm aus, glücklicherweise ohne ihn zu treffen, weil Halef schnell hinzugesprungen war und den Scheik von der gefährlichen Stelle hinweggerissen hatte. Dieser rief, beschämt von der ihm erteilten Lehre, zornig aus:
„Allah verdamme das Vieh, welches im Zeichen des Scheïtan geboren worden ist! Man wagt ja förmlich sein Leben, wenn man es berührt!“
„Das tut man allerdings“, antwortete ich. „Warum hörtest du nicht auf mich? Man soll nie versuchen, mit Gewalt in die Geheimnisse anderer Menschen dringen zu wollen!“
„Ist der andere Hengst von derselben Gefährlichkeit?“
„Der eine ist wie der andere. Sie erkennen nur uns als ihre Herren an. Schau diese beiden Menschen an! Sie haben sich an unseren Pferden vergriffen und sie bezwingen wollen. Die Strafe ist der Tat sofort gefolgt.“
Ich zeige bei diesen Worten auf die beiden Diebe, deren verbundene Gliedmaßen vermuten ließen, daß sie die zwei Unvorsichtigen seien, die sich an unseren Pferden vergriffen hatten. Sie waren, wie auch ihre Kameraden, gefesselt, sagten kein Wort und sahen uns auch nicht an. Oder hatte es auch noch einen anderen Grund? Wir konnten ihr Züge nicht deutlich sehen, weil das flackernde Feuer keine ruhige Helle gab.
Ganz selbstverständlich war es nun unser erstes, nach den uns geraubten Gegenständen zu suchen. Das wurde uns sonderbarerweise viel leichter, als es zu vermuten gewesen war. Wir sahen nämlich unweit des Feuers einen Mantel ausgebreitet, auf welchem alles lag, was wir vermißten, von den Gewehren an bis herunter zum kleinsten Büchschen, welches den Phosphor zur Bereitung der Zündhölzer enthielt. Daß nichts, aber auch gar nichts fehlte, hätte uns wohl auffallen müssen, doch mangelte es uns jetzt die Ruhe, diesen Umstand ganz besonders zu beachten. Die Diebe hatten den Raub wahrscheinlich erst später teilen wollen. Das genügte vollständig, zu erklären, warum noch jetzt alles so schön beisammenlag.
Auch Nafar Ben Schuri äußerte seine Freude darüber, daß es uns mit seiner Hilfe gelungen sei, ohne den geringsten Verlust und so vollständig wieder zu unserem Eigentum zu gelangen. Er kauerte sich zu uns und nahm ein Stück nach dem anderen in die Hände, um es zu betrachten und seine Bemerkungen darüber zu machen. Ganz besonders interessierte er sich für unsere Gewehre, deren Konstruktion ihm vollständig unbekannt war. Er betrachtete sie mehr als genau, wollte den Zweck jedes einzelnen Schräubchens wissen und wurde uns mit seinen vielen Fragen so unbequem, daß Halef ihm endlich im Ton schlechtverhehlten Unwillens bedeutete:
„Du siehst, daß diese Gewehre grad so wie unsere Pferde ihre Geheimnisse haben, welche jeder zu achten hat, dem sie nicht freiwillig mitgeteilt werden!“
„Verzeih! Aber bei dieser Art von Waffen darf man doch neugierig sein“, entschuldigte sich der Scheik. „Ihr beide wißt, wie oft und viel von ihnen gesprochen wird. Man erzählt sich Wunderdinge von ihnen und eurer Fertigkeit in ihrem Gebrauch. Diese Gewehre sind den Waffen des ganzen Morgenlandes überlegen. Ist es da so unbegreiflich, daß ich gern wissen möchte, wie man sie zu handhaben hat?“
„Ja, es ist unbegreiflich, weil die Neugierde nur eine Eigenschaft der alten Weiber ist. Bei dem Scheik und Anführer tapferer Krieger aber darf sie noch viel weniger als sonst bei einem Mann zu finden sein.“
Das war deutlich gesprochen, wohl auch ein wenig rücksichtslos, weil wir dem in dieser Weise Zurückgewiesenen ja so viel verdankten. Aber daß er sich jetzt wieder, wie vorhin bei den Pferden, so zudringlich zeigte, das legte unserer Dankbarkeit einen Dämpfer auf, der uns selbst am unangenehmsten berührte. Leider schien er das nicht zu empfinden, denn er fügte zu den bisherigen Fehlern einen neuen, indem er im Ton des Vorwurfs sagte:
„Du scheinst nicht zu wissen, was ihr uns schuldig seid! Wo
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