22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
geschah in einer langen Einzelreihe, einer hinter dem anderen. Halef und ich machten die letzten und verließen uns auf unsere Pferde, welche trotz der Dunkelheit und trotz der Beschwerlichkeit des Weges nur selten einmal einen Fehltritt taten. So kamen wir ganz gut in das Tal hinab und ritten quer über dasselbe hinüber, indem wir uns das Feuer als Wegweiser dienen ließen. Dabei wurden Rufe und Gegenrufe gewechselt, und es gab einen Lärm, der immer größer wurde, je näher wir kamen. Als wir dann anlangten, befanden wir uns inmitten von 50 oder 60 Dinarun, welche alle auf das lebhafteste auf uns einschrien. Jeder einzelne wollte uns erzählen, durch welche großen Heldentaten speziell auch er zum Sieg beigetragen habe, und so dauerte es ziemlich lange, bis wir erfuhren, wie höchst einfach sich die Sache zugetragen habe.
Der Bote, welcher von dem Scheik in das Lager gesandt worden war, hatte den Anführer gemacht. Es war für ihn selbstverständlich gewesen, daß die Diebe am Wasser des Dschebel Ma nachtlagern würden. Er hatte unterwegs den Entschluß gefaßt, sich mit dem ganzen Ruhm des Sieges zu schmücken und den Überfall also ohne den Scheik und uns zu übernehmen. Darum war er nicht nach dem Stelldichein geritten, sondern einer anderen Richtung gefolgt, welche ihn unten talabwärts bis an den Fuß des Berges geführt hatte. Dort angekommen, waren die Pferde unter der Aufsicht einiger Leute zurückgelassen worden. Dann hatte man sich leise dem Wasser entlang geschlichen, die Feinde trotz der Dunkelheit entdeckt und sie so unerwartet und mit Übermacht überfallen, daß an einen Widerstand gar nicht zu denken gewesen war. Sonderbarerweise wurde diesem eigenmächtigen Verfahren von seiten des Scheiks nicht die geringste Rüge erteilt.
Die Räuber lagen mit Stricken und Riemen gebunden an der Erde. Doch noch ehe wir uns mit ihnen beschäftigen konnten, geschah etwas, worüber selbst die pferdekennenden Dinarun in Staunen gerieten. Nämlich kaum war der Schein des Feuers auf mich und Halef gefallen, und kaum hatten wir einige laute Worte gesprochen, so ertönte von der Seite her das überlaute, frohe Wiehern zweier Pferdestimmen, und unsere beiden Rappen drängten sich, ihn gewaltsam auseinandertreibend, durch den Haufen der Beduinen, um uns zu begrüßen. Barkh machte vor Freude die drolligsten Ziegenbockkapriolen, die er nur unterbrach, um seinen Kopf an Halefs Brust zu reiben und ihm das Gesicht zu schnauben, als ob er sehr viel und wichtiges mit ihm zu sprechen habe. Mein Assil Ben Rih benahm sich nicht so laut wie Barkh, aber im höchsten Grade rührend. Er drückte mir sein Maul fest an die Wange – Pferde gehören bekanntlich zu den wenigen Tieren, welche küssen – leckte mir hierauf die Hand und legte sich dann zu meinen Füßen auf die Erde und sah mich an, als ob er sagen wolle: „Du weißt, was ich meine. Sei so gut, und tu es mir zuliebe, damit ich nicht nur sehe, sondern auch höre, daß du wieder bei mir bist!“ Er wollte nämlich die gewohnte Sure in das Ohr gesagt haben. Leider durfte ich das nicht tun, weil ich damit eines der Geheimnisse dieses prächtigen Tieres verraten hätte. Aber ich kniete zu ihm nieder, steckte den Arm unter seinem Hals hindurch und hob seinen Kopf empor, um ihn zu streicheln und den Hauch meines Mundes seine Nüstern berühren zu lassen. Da ging sein Atem so laut und so froh, daß es geradezu gefühllos gewesen wäre, zu behaupten, dies sei etwas anderes, aber nur keine Freude.
„Er hat dich lieb, sehr lieb“, sagte da der Scheik. „Ist es sein Geheimnis, daß du ihn so anfassest und ihm deinen Atem gibst?“
„Nein“, antwortete ich kurz, weil es unter den Beduinen als Taktlosigkeit gilt, nach dem Geheimnis eines edlen Pferdes zu fragen.
„Aber er hat eines oder vielleicht gar mehrere?“ erkundigte er sich weiter.
„Allerdings, denn er ist vom echtesten, allerreinsten Blut.“
„Bestehen diese Geheimnisse in Worten oder in Zeichen?“
„Diese Geheimnisse bestehen eben in Geheimnissen, von denen nicht gesprochen wird!“
Ich sagte das in zurückweisendem Tone; dennoch fuhr er fort:
„Bitte, laß mich die Probe machen! Ich will seinen Hals umarmen, grad so wie du, und ihm dann auch in die Nüstern hauchen.“
Das war eine beispiellose Zudringlichkeit, welche mich leicht bewegen konnte, meine bisher gute Ansicht über diesen Mann zu ändern. Ich schüttelte verneinend den Kopf. Trotzdem kniete er neben mir nieder und sagte:
„Ich habe
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