22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Halef?“
„Nein. Und wenn! Hätte Allah zehn Himmel, und mir wäre der höchste von ihnen bestimmt. Und hätte der Gott der Christen auch zehn Himmel, und für dich sollte der unterste sein. Weißt du, was ich täte?“
„Nun?“
„Ich verzichte auf meinen obersten und ginge mit dir in deinen niedrigsten. Er würde für mich doch der höchste sein, denn wo die Liebe wohnt, da ist die schönste und beste Seligkeit. Wäre ich dir willkommen, Sihdi?“
„Kannst du ungewiß hierüber sein, Halef?“
„Nein. Ich bin wie ein Kind, welches gern den Vater sagen hört, daß er es liebt!“
„So sage ich es dir von ganzem Herzen!“
„Ich danke dir! Ich dachte soeben nach – – – über dich und über mich. Meinst du, daß wir Freunde seien?“
„Gewiß! Bessere kann es gar nicht geben!“
„Ich denke aber anders.“
„Wie?“
„Solche Freunde, wie wir sind, kann es ja gar nicht geben. Wir sind mehr, viel mehr als Freunde. Es gibt kein Wort dafür. Wenn wir uns als Menschen lieben, welche beide ein gutes und ein nicht gutes Wesen in sich haben, so sind wir Freunde. Aber wenn wir die Liebe nur der beiden guten Wesen in uns meinen, so ist das mehr als Freundschaft, und was ich dir sagen wollte! Ich kann dein Gesicht nicht erkennen; aber sag, lächelst du vielleicht?“
„Nein. Ich bin sehr ernst, aber glücklich ernst.“
„Und ich bin so weich. Woher das wohl kommen mag? Sag: Wenn ich dich hier verlassen müßte, um zu sterben, würde ich dich dann wohl auch noch sehen können?“
„Halef! Wie kommst du zu dieser Frage?“
„Das weiß ich nicht. Sie kam mir auf die Zunge und wollte ausgesprochen sein; da habe ich es getan. Es spricht jemand in mir vom Tod. Ob es der Halef oder der Hadschi ist, das weiß ich nicht; aber ich werde – – – Horch!“
Es gab in diesem Augenblick allerdings etwas zu hören, nämlich ein plötzliches Geschrei vieler Stimmen, wie es beim Angriff oder im Kampf ausgestoßen wird. Die Dinarun sprangen auf, und ihr Scheik rief aus: „Allah! Das sind meine Krieger!“
„Da unten?“ fragte ich, indem ich mich auch schnell erhob. „Du sagtest doch, daß sie hierher kommen würden!“
„Sie sind direkt zu den Räubern geritten und über sie hergefallen.“
„Aber sie wußten doch nicht, wo diese sich befanden!“
„Es wird sie der Zufall oder irgendein Zeichen zu der Stelle geführt haben!“
„Irrst du dich nicht? Weiß du gewiß, daß es deine Leute sind?“
„Sie sind es. Es ist unser Ruf.“
„So müssen wir hinab!“
„Nein. Jetzt noch nicht. Laß nur einige Minuten vergehen, so werden wir erfahren, wie es steht!“
Ich war nicht ohne Sorge, zwang mich aber zur Geduld. Halef war auch aufgesprungen. Es schien alle Schwäche von ihm gewichen zu sein. Seine Stimme klang sehr energisch, als er den Scheik jetzt fragte:
„Können deine Krieger denn einen anderen Weg als den ihnen anbefohlenen eingeschlagen haben?“
„Ja“, antwortete Nafar Ben Schuri.
„Warum? Sie haben doch zu gehorchen?“
„Man kann doch auch grad aus Gehorsam etwas anderes tun, als was befohlen worden ist.“
„Nein! Das ist gar nicht möglich, denn ein Befehl wird doch gegeben, daß man ihn grad so und nicht anders befolge, als er lautet.“
„Aber wenn der, welcher ihn auszuführen hat, währenddessen einsieht, daß er ihn auf andere Weise viel besser und vollständiger erfüllen kann, so ist es doch grad die Pflicht des Gehorsams, nicht darauf zu achten, wie der Befehl ursprünglich geklungen hat!“
„Damit erkennst du also jedem deiner Leute die Berechtigung zu, deine Gebote zu deuten und von ihnen abzuweichen oder nicht, je nachdem sie es für nützlich halten. Meine Haddedihn haben genau nach meinen Worten zu handeln, ohne von ihnen hinwegzunehmen oder hinzuzufügen. Doch schaut hinab. Man hat ein Feuer angezündet, und man ruft. Wer ist gemeint?“
Es leuchtete unten eine Flamme auf, und wir hörten die Worte erklingen:
„Gahlab, gahlab; ta'al, ta'al, ia Scheik – Sieg, Sieg; komm, komm, o Scheik!“
„Diese Worte gelten mir“, antwortete Nafar Ben Schuri. „Meine Leute wissen ja, daß ich hier oben bin, und da sie den Feind überwunden haben, so fordern sie mich auf, zu ihnen hinabzukommen.“
„Hoffentlich haben sie in ihrem eigenmächtigen Handeln nichts getan, was uns in Schaden setzt! Wie man etwas tut, das ist oft wichtiger, als daß man es tut!“
Die Rufe von unten wiederholten sich, und so stiegen wir auf, um hinabzureiten. Das
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