22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
was wir bestimmen, das wird ausgeführt. Jetzt aber – jetzt – oh, Sihdi, halte mich! Der Schwindel ist wieder da. Ich sehe nichts und muß mich niedersetzen!“
Er griff nach dem vor ihm stehenden Pferd, um sich festzuhalten. Ich schlang den Arm um ihn und führte ihn an das Feuer. Dort ließ ich seine Decke ausbreiten und legte ihn auf dieselbe nieder. War ich erst besorgt gewesen, so wurde mir nun Angst um ihn.
„Was fehlt dem Scheik der Haddedihn?“ erkundigte sich Nafar Ben Schuri. „Hat er vielleicht den Suchuna (Heißes Fieber)?“
„Nein.“
„Oder die Chumma mutallati (Wechselfieber)?“
„Auch diese nicht. Er hat gestern vergifteten Kaffee getrunken. Davon ist ihm noch übel. Weiter ist es nichts.“
Ich wußte, daß ich log; aber die Klugheit verbot mir, die Wahrheit zu sagen. Ich war jetzt beinahe überzeugt, es mit einer schweren, typhösen Erkrankung zu tun zu haben, mußte dies aber verheimlichen, um mir die Bedingungen einer wenigstens den Umständen angemessenen guten Krankenpflege zu ermöglichen. Daß es sich um eine ansteckende Krankheit handle, brauchte jetzt noch niemand zu wissen. Später freilich hatte ich es unter allen Umständen für meine Pflicht zu halten, die Dinarun vor Ansteckung zu bewahren.
Glücklicherweise hatten wir unsere Sachen wieder, auch unsere kleine Reiseapotheke. Ich beeilte mich also, Halef Chinin zu geben. Dann lag er still und mit geschlossenen Augen da, als ob er schlafe.
Die aus dem Lager gekommenen Dinarun waren mit Proviant versehen. Es wurde gegessen. Die Portion Halefs bot ich ihm nicht an, sondern hob sie auf. Für unsere beiden Pferde sorgte ich selbst.
Dann setzte ich mich zu Halef hin, um das zu tun, was ich auch in der vorigen Nacht mir vorgenommen, aber leider nicht getan hatte – zu wachen.
Für Nafar Ben Schuri war an der anderen Seite des Feuers ein Lager zurechtgemacht worden. Da saß er, rauchte einen Tschibuk und schien in Nachdenken versunken zu sein. Mit wem er sich im stillen beschäftigte, das sagten mir die Blicke, welche er von Zeit zu Zeit zu mir herübersandte.
Seine Leute hatten sich so gelagert, wie es in ihrem Belieben lag. Eine gewisse Ordnung schien dabei nicht beabsichtigt zu sein. Einmal stand ich auf, um nach den Gefangenen zu sehen. Ihre Fesseln waren nicht übermäßig streng angelegt, doch brauchte ich nicht besorgt zu sein, daß sie sich losmachen würden, weil sie rings von den Dinarun umgeben waren und ich ja die Absicht hatte, nicht zu schlafen. Sie lagen mir so nahe, daß mir nichts entgehen konnte.
Ich wollte die beiden Verletzten untersuchen, um ihnen, falls möglich, ihre Schmerzen zu erleichtern; sie duldeten das aber nicht. Dann legte ich dem, den wir für ihren Anführer gehalten hatten, einige Fragen vor, die er mir beantworten sollte. Ich wollte ihn durch sie zu der Bitte ermuntern, nicht streng mit ihm und seinen Leuten zu verfahren; er zog es aber vor, sich in ein so trotziges Schweigen zu hüllen, daß ich den wohlgemeinten Versuch aufgab und an meinen Platz zurückkehrte. Da richtete nun der Scheik das Wort an mich:
„Sihdi, halte es nicht für Herzenshärtigkeit! Es ist die Furcht vor dir, die diesem Mann die Worte raubt!“
„Verteidigst du ihn abermals?“ antwortete ich.
„Nein. Nur suche ich mir sein Schweigen zu erklären. Welches Urteil werdet ihr wohl über ihn und seine Leute fällen?“
„Das weiß ich nicht. Ich muß darüber mit Hadschi Halef sprechen.“
„Und wo soll es ausgeführt werden?“
„Da, wo wir uns befinden, wenn es gesprochen wird.“
„Also daheim in meinem Lager?“
„Warum dort?“
„Weil ich euch eingeladen habe, uns dorthin zu begleiten. Sag, ob ihr uns diesen Wunsch erfüllen werdet!“
„Ich bin bereit dazu, damit ihr seht, daß wir nicht so undankbar sind, wie du zu denken scheinst.“
„Verzeih mir das! Wir, die wir hier zwischen den Bergen wohnen, achten nicht auf die künstlichen Regeln der Städtebewohner, nach denen sich ihre Höflichkeit richtet. Ihr werdet als unsere willkommenen Gäste alles finden, was euch vonnöten ist. Und das, was ihr bei uns über diese Diebe beschließet, wird von uns genau so ausgeführt werden, wie ihr es von uns fordert.“
„So bist du erbötig, die Ausführung unseres Urteils zu übernehmen?“
„Ja. Nur möchte ich wissen, worin die Strafe bestehen wird. Etwa im Tod?“
„Nein, keinesfalls.“
„Was sonst?“
„Hiebe!“
Dieses Wort sagte ich nicht, sondern es klang aus Halefs Mund. Er
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