22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Füge dich!“
„Das fällt mir nicht ein. Soll ich zum Gelächter aller Menschen werden, die es gegeben hat, die es jetzt gibt und auch die es einst noch geben wird?“
„Nein. Die Krankheit ist doch nicht etwas, worüber man zu lachen hat!“
„Aber der Tachterwahn. Übrigens bin ich ja gar nicht krank!“
„Und soeben fühltest du dich zum Umfallen schwach!“
„Jetzt nicht mehr. Das ist vorüber!“
„Es wird wiederkommen!“
„Nein! Dein altes Weib, welches keine Zähne mehr hat, werde ich mir vom Leib zu halten wissen!“
Es war die Erregung des Stolzes, die ihm die Kraft gegeben hatte, aufzuspringen. Er griff mit beiden Händen nach dem Kopf. Es schwindelte ihm.
„Sei gut, Halef!“ bat ich.
„Ich bin ja gut! Gegen dich kann ich doch gar nicht anders sein!“
„Jetzt bist du es nicht. Du weißt, daß ich dich nie um etwas bitte, was nicht nötig ist.“
„So machst du gegenwärtig eine Ausnahme. Das, was ich tun soll, ist vollständig überflüssig!“
„Streiten wir uns nicht hierüber! Kannst du dich noch besinnen, daß du mir eines Tages etwas schenken wolltest und doch nichts hattest?“
„Ja. Das war zu deinem Geburtstag.“
„Du warst traurig darüber, daß du mir nichts geben konntest. Besinne dich! Was sagtest du da zu mir?“
„Ich bat dich, mir es zu sagen, wenn du einmal einen recht, recht großen Wunsch haben würdest. Ich versprach, ihn dir zu erfüllen.“
„Ja und zwar unbedingt zu erfüllen! Nun, diesen Wunsch habe ich jetzt ausgesprochen, und ich wiederhole ihn! Steig in den Tachterwahn!“
„So forderst du das von mir als nachträgliches Geburtstagsgeschenk?“
„Ich fordere es nicht, sondern ich erbitte es mir. Sei brav; sei willig, lieber Halef!“
„Oh, mein guter, guter Sihdi, wenn du in diesem Ton mit mir redest, kann ich dir nicht widerstehen! Aber hast du gehört, was der Scheik sagte?“
„Denke nicht daran!“
„Er sagte: ‚Wie ein Weib in die Sänfte steigen!‘ Wenn ich es tue, gebe ich meine ganze Würde hin!“
„Nein!“
„Doch! Die Würde des Mannes, die Würde des Kriegers und die Würde des Scheiks!“
„Diese drei Würden werden dir bleiben; aber die Würde meines Freundes würde verloren gehen, wenn du es nicht tätest.“
„So tue ich es. Aber mein Gewehr und alles, was zum Mann gehört, muß ich mitnehmen dürfen!“
„Selbstverständlich! Ich danke dir!“
„Und du hebst mich hinein. Es soll mich kein anderer anfassen als nur der allein, dem zuliebe ich es tue!“
„Gern. So komm!“ Ich war ihm behilflich, einzusteigen, und gab ihm dann seine Waffen hinauf. Als dies geschehen war, kam der Scheik zu mir. Er hatte gespannten Auges zugesehen und fragte nun:
„Sihdi, wer wird jetzt das Pferd Halefs reiten?“
„Niemand“, antwortete ich, von seiner Frage nicht etwa angenehm berührt.
„Würdest du es mir nicht für diese kurze Zeit erlauben?“
„Nein.“
„Sihdi, bedenke, daß wir Brüder sind! Du bist mein Gast!“
„Das weiß ich. Und eben weil ich es weiß, darf ich dir deinen Wunsch nicht erfüllen.“
„Du darfst nicht? Oder willst du nicht?“
„Ich darf nicht.“
„Warum?“
„Das Pferd würde dich abwerfen.“
„Du brauchst ihm ja nur das Zeichen zu geben, so wird es dies nicht tun!“
„Aber dieses Zeichen ist ein Geheimnis, und die Geheimnisse eines Vollblutpferdes werden selbst dem besten Freund, dem Bruder, dem Gast nicht verraten. Das mußt du wissen. Grad weil ich dein Gast bin, ist es deine heilige Pflicht, nichts von mir zu fordern, was ich dir nicht gewähren kann. Die Auslegung des Koran sagt: ‚Wer das Antlitz seines Gastes durch eine unerfüllbare Bitte schamrot macht, ist nicht wert, Gäste zu haben.‘ Das scheinst du nicht zu wissen!“
Nachdem ich ihm diese Lehre, und zwar im ernstestem Ton, erteilt hatte, wandte ich mich von ihm ab. Es war mir mehr als unangenehm, ja, es machte mich bedenklich, immer wieder zu bemerken, daß er danach trachtete, die Geheimnisse unserer Pferde zu erfahren. Ich bestieg meinen Assil und nahm Barkh am Zügel, um ihn neben mir hergehen zu lassen. Der Scheik mußte es hinnehmen, daß ich ihn von jetzt an nicht mehr beachtete. Ich wagte dabei nichts, denn im Besitz unserer Hengste und unserer Gewehre hatten wir, solange wir Vorsicht übten, die ganze Schar dieser Beduinen nicht zu fürchten. Und daß der Scheik dies wußte, das war aus seinem Verhalten mit Sicherheit zu schließen.
Es war ein schöner, frischer Ritt in den jungen,
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