22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
im Angesichte des Lagers befinden.“
Das Lab es Barud besteht gewöhnlich in einer tollen Schießerei, bei welcher sehr viel Pulver verschwendet wird. Bei der Fantasia werden allerlei Reiterkünste gezeigt. Beides hat den Zweck, den Gast zu ehren und ihm zu zeigen, daß die, welche ihn empfangen, als gute Reiter und Schützen seiner Achtung würdig sind.
Ich hätte dem kranken Hadschi diesen Lärm gern erspart, damit aber wahrscheinlich die Dinarun beleidigt, und da durch die Ausführung dieser Gebräuche das gegenseitige Gast- und Freundschaftsverhältnis bestätigt wird, so hielt ich es in Hinsicht auf unsere Sicherheit für geraten, meine Zustimmung zu erteilen.
Als ich dies getan hatte, gab er den Nahenden mit dem erhobenen Arm ein Zeichen, worauf sie im Galopp herangesprengt kamen, uns einige Male im Kreis umritten und unter wildem Schreien aus ihren langen Flinten wiederholte Salven und einzelne Schüsse abgaben. Dann sammelten sie sich hinter uns, um sich uns anzuschließen.
„Bist du mit diesem Empfang zufrieden?“ fragte mich der Scheik im Weiterreiten.
„Ja“, antwortete ich. „Wir danken euch!“
„Ich glaubte, du habest deine Erwartungen nicht erfüllt gesehen.“
„Warum?“
„Weil du mit keinem einzigen Schuß diesen Empfang erwidert hast.“
Das war ein Vorwurf, der mir nicht gefiel, und dem eine versteckte Absicht zugrunde liegen mußte. Und diese Absicht konnte sich nur auf die gastliche Treue beziehen. Das wurde mir von jenem Mißtrauen gesagt, welches sich nun einmal nicht in mir niederdrücken lassen wollte und jetzt wieder seine warnende Stimme erhob. Darum antwortete ich:
„Du weißt, o Scheik, daß wir weder Knaben noch Neulinge, sondern erfahrene Männer sind. Wir wissen ganz genau, was so ein Lab el Barud zu bedeuten hat. Aus euren Gewehren hat die Stimme der Gastfreundschaft gesprochen. Diese Schüsse waren eure Versicherung, ja euer Schwur, daß ihr euch Mühe geben werdet, alle eure Pflichten gegen uns zu erfüllen.“
„Weiter nichts?“ fragte er.
„Nein.“
„Du irrst! Durch diese Schüsse richteten wir auch die Frage an euch, wie es mit den Pflichten stehe, die ihr gegen uns auf euch genommen habt.“
Da hielt ich mein Pferd an, faßte den Zügel des seinigen, daß es auch stehenbleiben mußte, richtete mich im Sattel auf, sah ihm grad und forschend in das Gesicht und sagte:
„Das würde eine Beleidigung für uns sein!“
„Nein!“ behauptete er.
„Doch!“
„So bitte ich dich, es mir zu erklären!“
„Es sollte dieser Erklärung gar nicht erst bedürfen! Die Gastfreundschaft ist zwischen euch und uns bereits geschlossen. Ihr habt uns euer Wort gegeben und dafür das unserige erhalten. Ist das so?“
„Ja“, gestand er ein.
„Haltet ihr uns für Lügner?“
Als ich meinem Blick hierbei einen drohenden Ausdruck gab, senkte er den seinen und antwortete:
„Nein. Ich gebe dir die Versicherung, dies ganz und gar nicht gemeint zu haben!“
„Das ist es, was ich wissen wollte! Wenn wir unser Wort geben, so halten wir es unter allen Umständen. Es bedarf bei uns keiner weiteren Versicherung durch irgendeine Tat oder gar durch ein bloßes Spiel, bei welchem wir gezwungen wären, unsere Munition zu vergeuden, die viel kostbarer als die eure ist.“
Ich machte eine Pause, um den nächsten Worten eine erhöhte Bedeutung zu geben, und fuhr dann fort:
„Oder sollte es dir vielleicht so außerordentlich wichtig sein, zu sehen, wie unsere Gewehre beim Schießen gehandhabt werden müssen? Wir schießen niemals im Spiel, sondern stets nur dann, wenn der Ernst uns dazu zwingt, wenn wir uns verteidigen müssen. Aber dann sitzt jeder Schuß, das kannst du mir gut glauben! Wenn ihr es für notwendig gehalten habt, euren Worten durch eure Schüsse größere Glaubhaftigkeit zu verleihen, so sage ich dir, daß wir so etwas nicht nötig haben, weil unsere Worte Taten sind, die nicht erst noch besonders bestätigt zu werden brauchen! Und nun frage ich dich: Sind wir im vollsten Sinne des Wortes eure Gäste oder nicht?“
„Ihr seid es“, versicherte er, indem er mir die Hand herüber hielt.
Es war ihm anzusehen, daß er sich beschämt fühlte. Vielleicht gab es in seinem Innern auch noch etwas anderes als diese Scham allein. Ich schlug ein, gab sein Pferd frei und sprach, indem wir nun weiter ritten:
„Du weißt nun ganz genau, wie wir über die Heiligkeit und Verletzlichkeit des gegebenen Wortes denken. Fordere also nicht von uns, etwas hinzuzufügen,
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