Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
wissen, wer hier war?“ entgegnete Nafar ausweichend.
    „Sehr viel liegt daran! Wir befinden uns auf einem Kriegszug. Es darf uns nicht gleichgültig sein, wer in derselben Gegend mit uns ist. Es kann uns Verrat und Gefahr von jeder Seite drohen. Ich hoffe, daß dir dies nicht unbegreiflich ist!“
    Er gab seiner Stimme einen strengen Klang. Da stieg der Dinari vom Pferd und betrachtete die Fährte. Hierauf schüttelte er den Kopf und sagte:
    „Man sieht, daß zwei Reiter hier vorübergekommen sind, weiter nichts.“
    „Wirklich weiter nichts?“
    „Nein.“
    Wahrscheinlich bemerkte Halef das Lächeln, welches ich um meine Lippen fühlte. Er hatte mehr gesehen als Nafar und nahm wohl an, daß die Schrift für mich trotzdem noch verständlicher gewesen sei, als für ihn selbst. Darum fuhr er fort:
    „Du sprichst von zwei Reitern, von weiter nichts. Was ritten sie für Tiere?“
    „Pferde natürlich!“
    „Was für Pferde waren es?“
    „Wer kann das wissen? Niemand!“
    „So! Dieser ‚Niemand‘ bin ich. Das eine Pferd war ein junger Hengst, das andere aber eine Stute, welche wenigstens schon fünf- oder sechsmal geboren hat.“
    Da machte der Dinari die Augen weit auf und fragte:
    „Woran siehst du das?“
    „Das ist auch eines unserer Geheimnisse, welche nicht verraten werden. Es würde dir auch nichts nützen, wenn ich es dir sagte, denn es gehört viel Erfahrung und eine lange Übung dazu, die Zahl der Geburten, also das ungefähre Alter einer Stute aus ihren Spuren zu erkennen. Wäre der Sand nicht so fein, so würde selbst ich vergeblich forschen. Glaubst du nun, daß der Scheik der Haddedihn eine Fährte lesen kann? Und da steht Kara Ben Nemsi, der mein Lehrer in dieser Kunst gewesen ist. Ich sehe es ihm an, daß diese Spur ihm noch mehr gesagt hat als mir. Sprich, Sihdi, was hast du gesehen?“
    „Die Stute ist allerreinsten Blutes“, antwortete ich.
    „Ja; das weiß ich auch.“
    „Sie ist einmal infolge eines Fehltrittes lange Zeit fußkrank und unbrauchbar gewesen.“
    „Maschallah!“ rief da der Scheik der Dinarun. „Weißt du, an welchem Fuß?“
    „Links vorn. Es war eine Flechsendehnung, welche nur langsam und durch die größte Ruhe zu heilen ist.“
    „Bist du allwissend?“
    „Nein. Ich habe meine Augen geübt. Das ist es, weiter nichts. Du scheinst verwundert zu sein. Kennst du ein solches Pferd?“
    „Ja. Es ist eine braune Stute. Ihre Haut bekommt in der Sonne dunklen Kupferglanz; sie hat die drei berühmten Haarwirbel der Pferde des Propheten; sie trinkt das Wasser mit der Zunge, wie ein Hund; ihr Ohr ist schärfer als das Auge des Geiers, und wenn sie dich anschaut, glaubst du, dem sanften Blick einer Huri zu begegnen.“
    Der Beduine wird stets poetisch, wenn er von einem edlen Pferd spricht. So auch hier.
    „Wem gehört dieses Pferd?“ erkundigte ich mich.
    „Diese wunderbar schnelle Stute heißt Sahm (Pfeil) und gehört – dem – Ustad (Meister).“
    Er zögerte so eigentümlich, dieses letzte Wort auszusprechen. Das hatte jedenfalls einen besonderen Grund, der nicht allein in ihm vorhanden war, denn als er diesen Namen aussprach, drängten sich die bei uns haltenden Dinarun sofort noch näher zu uns heran.
    „Wer ist das, der Ustad?“ fragte ich.
    „Ein Dschamiki“, antwortete er so kurz, daß ich annahm, er gebe nicht gerne Auskunft über diesen Mann.
    „Vielleicht der Scheik einer Unterabteilung der Dschamikun?“
    „Nein.“
    „Also ein gewöhnlicher, wenn auch reicher Mann?“
    „Auch nicht!“
    „Weder Scheik noch einfacher Nomade? Was aber denn?“
    „Warum willst du das so durchaus wissen?“ sprach er ungeduldig. „Dieser Mann geht mich und auch dich nichts an!“
    „Dich vielleicht nicht, aber mich! Ich habe keinen Grund, mich von irgendeinem Menschen oder gar nur vor dem Namen eines Menschen zu scheuen. Wir verfolgen die Dschamikun; zwei von ihnen sind hier an dieser Stelle gewesen. Das eine der Pferde ist die Stute des Ustad. Ich muß also unbedingt wissen, wer dieser Ustad ist und was es mit ihm für eine Bewandtnis hat.“
    „Ich spreche nicht von ihm!“ erklärte er in einem Ton, als sei dies nun sein letztes Wort. Es klang fast wie ein Befehl für mich, still zu sein. Da regte sich das Mißtrauen von neuem in mir. Sein Verhalten war für mich ein Rätsel, dessen Lösung ich mir unbedingt verschaffen mußte.
    „Komm, Halef!“
    Indem ich diese Aufforderung an meinen Hadschi richtete, wandte ich mich von Nafar Ben Schuri und stieg

Weitere Kostenlose Bücher