22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
daß wir nie beabsichtigt haben, die Freunde böser Menschen zu sein – – –“
Ich wurde unterbrochen, weil Halef kam. Er ritt neben dem anderen Fakir. Beide unterhielten sich, als ob sie sich im herzlichsten Einverständnis miteinander befänden. Sobald er mich erblickte, rief er mir zu: „Assil hat gesiegt?“
„Ja“, antwortete ich.
„Ich wußte es! Warte, was ich dir zu sagen habe, Sihdi! Es ist von größter Wichtigkeit.“ Er trieb seinen Barkh an, sprang, als er uns erreicht hatte, ab und fuhr eifrig fort: „Hier werden wir uns niedersetzen, um Beratung zu halten. Weißt du, Sihdi, wer und was unsere Dinarun sind?“
„Nun?“
„Wir sind dumm gewesen, ganz unendlich dumm! Sie sind gar keine Dinarun, sondern Ausgestoßene, Ausgestoßene aus allen Stämmen, die es in dieser Gegend gibt. Jeder Mensch, der ein Verbrechen, eine schlechte Tat begangen und sich mit Schande beladen hat, geht zu ihnen, um sich ihnen anzuschließen. Sie leben nur von Diebstahl, von Raub und ähnlichen Unternehmungen. O Sihdi, wir haben diesen Leuten ein Vertrauen geschenkt, welches sie gar nicht verdienen. Du bist zwar ein ganz klein wenig klüger gewesen als ich, aber sehr viel trägt das auch nicht aus. Ich möchte dir eine Ohrfeige geben, mir selbst aber zehn oder zwanzig oder auch fünfzig. Aber weil ich dich viel zu sehr achte und liebe, als daß ich sie dir wirklich geben könnte, so muß ich natürlich auch auf meine fünfzig verzichten!“
Sein Ärger war sehr echt, denn ohne diese Echtheit wäre es ihm, der so viel auf seine persönliche Ehre hielt, gar nicht eingefallen, in Gegenwart der beiden Fukara so despektierlich von sich selbst zu sprechen. Was mich betrifft, so war es mir willkommen, endlich Klarheit zu erlangen; aber ich wollte vermeiden, eine begangene Unvorsichtigkeit durch eine zweite, vielleicht noch größere wieder gutmachen zu wollen. Darum fragte ich ihn: „Weißt du gewiß, daß unsere bisherigen sogenannten Freunde keine Dinarun sind?“
„Ja.“
„Wer hat es dir gesagt?“
„Dieser Fakir.“
Er deutete auf ihn.
„Und du glaubst ihm?“
„Natürlich! Unter Fukara darf keine Lüge sein!“
„Das ist erstens nicht ganz richtig, und zweitens muß ich dich fragen: Könntest du darauf schwören, daß diese beiden Fukara wirkliche Fukara sind?“
„Maschallah! Welche Frage! Richte sie doch nicht an mich, sondern an sie selbst!“
Da wandte ich mich an Sallab: „Sei aufrichtig! Meine Frage soll der Prüfstein deiner Ehrlichkeit sein. Bist du ein Fakir?“
Da antwortete er:
„Du bist Kara Ben Nemsi, der Mann aus Dschermanistan, und wir wissen, daß aus Dschermanistan nie ein böser Mensch zu uns gekommen ist. Darum will ich ehrlich sein. Ich bin kein Fakir und dieser mein Begleiter ist auch keiner!“
„So heißt du gar nicht Sallab?“
„Nein.“
„Wie denn?“
„Ich legte mir aus guten Gründen den Namen des bekannten Fakirs bei. Aber wer ich eigentlich bin, das darf ich dir so lange nicht sagen, als du dich für verbunden hältst, diesen Räubern Unterstützung zu erweisen.“
„Haben sie uns belogen, so ist das, was wir ihnen versprochen haben, so gut wie nicht gesprochen!“
„Nun, sie haben euch belogen!“
„Kannst du das beweisen?“
„Beweisen? Was verlangst du für Beweise?“
Ich muß gestehen, daß er mich mit dieser Frage in Verlegenheit brachte. Ich antwortete ihm:
„Sie haben sich als Dinarun bezeichnet, und du behauptest, daß sie keine seien. Du selbst aber gestehst ein, daß du als Fakir Sallab eine Lüge seist. Von dir ist die Unwahrheit erwiesen, von ihnen aber nicht.“
Wir hatten uns niedergesetzt, alle vier. Der Alte senkte den Kopf, sah einige Zeit sinnend vor sich nieder, hob ihn dann wieder und fragte: „Ihr seid mit denen, die sich Dinarun nennen, gegen die Dschamikun ausgezogen. Wir sind Dschamikun. Ihr habt uns gefangen. Was werdet ihr mit uns tun?“
„Wir lassen euch frei. Ihr könnt reiten, wohin ihr wollt.“
„Gleich jetzt?“
„Ja.“
„Reiten?“
„Natürlich!“
„So wollt ihr nicht wenigstens unsere Pferde als Beute behalten?“
„Nein.“
„Aber bedenke, was für ein Pferd die Stute ist!“
„Kein Mann aus Dschermanistan wird jemals in euer Land kommen, um Beute zu machen!“
„So segne dich Allah, und so segne er auch alle, welche in deiner Heimat dieses menschenfreundlichen Gedenkens sind! Du hast dich soeben als ein Mann erwiesen, der das, was er zu sein vorgibt, auch wirklich ist, nämlich
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