22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Sallab aus.
„Nein, nur wir!“ antwortete ich.
„Ihr beide allein?“
„Ja.“
„Das glaube euch der Scheïtan! Komm! Zurück, zurück!“
Er wendete sein Pferd und jagte fort. Der andere folgte ihm.
„Sihdi, was ist – – –“, rief Halef.
„Still! Kein unnützes Wort!“ unterbrach ich ihn. „Diese beiden Fukara sind die Schlüssel zum Rätsel, welches zu lösen ist. Wir müssen sie unbedingt haben!“
„Auch mit Gewalt?“
„Ja, wenn sie sich wehren! Nimm du den anderen; ich fasse Sallab. Aber seine Stute ist pfeilschnell. Gib mir meinen Assil! Jeder sein Pferd, welches er kennt. Rasch, rasch!“
Wir sprangen ab und wechselten die Tiere. Dann ging es vorwärts, hinter den Fliehenden her.
„Nimm dich in acht!“ rief ich Halef noch zu. „Sie könnten doch verborgene Waffen bei sich führen!“
„Keine Sorge, Sihdi! Hamdullillah! Endlich, endlich einmal eine Hetze, eine wirkliche, wahrhafte Hetze! Wohlan! Jallah, jallah, jallah!“
Das Umtauschen unserer Pferde hatte keine Minute in Anspruch genommen, dennoch waren die Fukara schon weit von uns entfernt: Sallab ritt voran. Wie die Sache lag, durfte ich mich auf keine lange Jagd einlassen. Da der Kreuzungspunkt jenseits des Berges lag, konnten die Dschamikun in der Nähe sein. Wir mußten die Flüchtlinge also so bald wie möglich fassen.
„Assil – Assil! Ramchchchchch, ramchchchchch!“
Das war die Aufforderung zum schnellsten Galopp. Ich streichelte ihm den Hals. Er flog. Die Vorderhufe berührten noch den Boden, so griffen die hinteren schon vor. Es war eine Lust, dieses Gefühl, als ob man nur den freischwebenden Sattel und gar kein sich bewegendes Tier unter sich habe! Ich kam den beiden Fukara schnell näher. Da sah Sallab sich um. Ich hörte, daß er einen Schrei ausstieß. Er trieb sein Pferd an; es vergrößerte die bisherige Schnelligkeit. Der andere schlug auf das seine ein, blieb aber zurück. Nach kurzer Zeit hatte ich ihn erreicht. Indem ich an ihm vorüberflog, tat ich das so nahe, daß ich ihn erreichen konnte. Er saß halb nach vorn gebeugt. Ich stieß ihm die Faust in die Seite. Die Kraft meines Stoßes wurde durch Assils ungemeine Schnelligkeit verdoppelt. Der Fakir flog aus dem Sattel, und hinter mir erscholl die Stimme Halefs:
„Ich ergreife ihn! Ich halte ihn! Ich bringe ihn. Schau nur noch nach dem anderen, Sihdi!“
Ich sah gar nicht nach dem Hadschi zurück, denn ich wußte ja, daß er tun werde, was ich erwartete. Aber Sallab schaute sich wieder um, und da er mich in solcher Nähe hinter sich sah, mußte er erkennen, daß ich ihn in einer Minute eingeholt haben werde. Ich behielt ihn scharf im Auge und sah, daß er dreimal mit beiden Händen auf beide Halsseiten seines Pferdes schlug und dabei ein Wort ausrief, welches ich nicht verstehen konnte.
Sollte dies das Geheimnis der Stute sein? War dieser Fakir ein solcher Freund und Vertrauter des Ustad, daß dieser es ihm mitgeteilt hatte? Meine Frage wurde sofort beantwortet: Die Stute lief nicht mehr, sondern sie raste! Es war das Geheimnis gewesen. Kaum hatte er es gegeben, so war seine Entfernung von mir schon Verdoppelt. Ich mußte also auch das meinige anwenden. Indem ich mich weit vorbog, legte ich Assil die Hand zwischen die Ohren und sagte dreimal seinen Namen. Dieses Zeichen war gewählt worden, weil es sehr schwer auszuführen ist. Nur ein Reiter, welcher eines arabischen Renners würdig ist, wird es fertig bringen, im schärfsten Galopp die Ohren seines Pferdes mit der Hand zu erreichen. Die Wirkung war eine großartige. Zunächst schien es für einen Moment, als ob Assil haltenbleiben wolle. Es ging wie ein Zittern durch seinen ganzen Körper. Dann ließ er ein tiefes, schnaubendes Stöhnen hören, ein Stöhnen dankbarer Willensfreudigkeit. Und aber nun – – – nun kam es mir vor, als ob die Beine nicht mehr zu sehen seien, so unglaublich schnell bewegten sie sich. Die Büsche und Bäume flogen förmlich an mir vorüber. Der Boden des Tales kam wie auf einer sich drehenden Walze auf mich zugeflossen, um hinter mir zu Verschwinden. Die stehende Luft des Tales wurde in blasenden Wind verwandelt. Meine Bewegung glich nicht mehr einem Ritt, sondern einem horizontalen Fallen. Ich konnte nicht anders: ich jauchzte auf, worauf Assil schnaubend frohe Antwort gab. Das war ein ganz anderes Wettstreiten, als ich mit Halef beabsichtigt hatte! Die berühmte, pfeilschnelle Stute des Ustad und das beste Blut der Haddedihn im Kampf
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