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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kam ganz genau am Rande des Abgrunds zum Ansatz und ging leicht wie ein Gedanke über die Spalte hinüber. Noch vier, fünf Schritte, dann blieb er drüben, ohne daß ich ihn anzuhalten brauchte, genau neben Barkh stehen. Dies war mit so verblüffender Leichtigkeit vor sich gegangen, daß die Massaban da hinten dieses Mal ganz still blieben. Ich sprang ab, warf die Gewehre weg und zog mit beiden Händen den Kopf des herrlichen Tieres an meine Brust. Assil hatte es verdient, daß ich vor allen Dingen erst ihm einige dankbare Schmeichelworte sagte; dann aber mußte ich nach Halef sehen.
    Er lag am Boden und regte sich nicht. Tot war er natürlich nicht, sondern nur besinnungslos und zwar nicht etwa vor Schreck oder Angst, sondern infolge der Überanstrengung aller seiner körperlichen und geistigen Kräfte. Der längst von mir befürchtete Augenblick des endlichen Zusammenbrechens hatte sich nun eingestellt! – Was war zu tun? Da – – – horch! War das nicht eine halblaute Stimme, welche mich rief?
    „Sihdi – – – Sihdi!“
    Das klang hinter einem der starkstämmigen Bäume hervor.
    „Wer ruft?“ fragte ich.
    „Ich! Der Scheik der Dschamikun.“
    „Peder?“
    „Ja. Ich darf nicht hinter dem Baum hervor, weil mich die Massaban da drüben trotz der Dämmerung doch vielleicht sehen würden. Komm her zu mir!“
    Ich ging hin. Ja, da stand er, noch als Fakir, wie wir ihn vorher gesehen hatten.
    „Wirklich du!“ sagte ich. „Wie ist es möglich, daß du schon hier sein kannst. Wir sind so schnell geritten, und zwar, wie es scheint, den allerkürzesten Weg!“
    „Wir aber noch schneller, und zwar auf einem Wege welcher auch nicht länger als der eure ist. Ich wollte vor euch hier sein, um wo möglich noch heut abend die Falle schließen zu können. Ich habe sowohl hier als auch am Eingange des Daraeh-y-Dschib meine Wachen stehen, welche mir alles melden, was geschieht. Sie sahen euch kommen und haben hinter euch das Tal so gut besetzt, daß die Massaban nur dann wieder heraus können, wenn wir es ihnen erlauben.“
    „So muß ich dir vor allen Dingen sagen, daß noch während dieser Nacht auch noch der Nachtrab ankommen wird.“
    „Das ist mir wichtig. Ich danke dir und werde meine Vorkehrungen treffen. Ich postierte mich hierher, um die Enttäuschung der Massaban zu beobachten, sobald sie sähen, daß die Brücke nicht mehr vorhanden sei. Ich hatte vergessen, dir zu sagen, daß wir sie zerstört haben. Es war anzunehmen, daß du mit dem Scheik der Haddedihn bis morgen früh bei ihnen hier im Tal bleiben und dich dann in unauffälliger Weise von ihnen trennen würdest, um zu kommen. Ihr habt das aber schon heut und zwar derart getan, daß meiner Bewunderung die Worte fehlen. Sihdi, habt ihr denn nicht an den Tod gedacht?“
    „O doch! Grad weil wir das taten, wurde der Sprung unternommen. Es galt, Halef zu retten. Er konnte es unmöglich da drüben bis morgen früh aushalten. Das Wagnis mußte unternommen werden.“
    „Es war mehr, viel mehr als bloß das, was man Wagnis nennt! Ich fühlte mich bis jetzt so sehr beschämt, daß ich mit der berühmten Stute des Ustad von dir auf deinem Rappen eingeholt worden bin; nun ich aber hier gesehen habe, was ihr euch und euren Pferden zuzumuten versteht, sehe ich ein, daß es keine Schande ist, von euch übertroffen worden zu sein. Es war auch für mich ein schrecklicher Augenblick, Hadschi Halef an der Kante über dem Abgrund hängen zu sehen. Sein kühner Schwung und dein Schuß haben ihn gerettet. Als ich dann sah, daß du bereit warst, ihm zu folgen, bebte mir das Herz. Der Araber war auf dem Araber nicht glatt angelangt; so gab es also für den Europäer noch weniger Hoffnung, auf einem nichtfränkischen Pferd diesen entsetzlichen Sprung mit Glück zu tun. Wie gern hätte ich dir zugerufen, dies zu unterlassen; aber es war mir ja verboten, meine Gegenwart zu verraten! Da kamst du angesaust, so leicht, so glatt, so unbeschreiblich sicher! Du saßest nicht, du standest hoch im Bügel. Noch nie war das von mir gesehen worden! Das war so ungewohnt, so fremd, so über mir, und doch kam augenblicklich die Gewißheit über mich, daß für dich nichts zu fürchten sei. Dein Rappen ging in kühnem, festem Bogen in die Luft. Es war nur ein Moment, aber doch so hell, so deutlich, was ich sah: du warst es zwar, doch war's auch ein Gesicht, ein Blick ins ferne Land, das wir die Zukunft nennen: du warst das Abendland, auf fehlerfreiem, morgenländischem Pferd! Der

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