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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gesicht auf die von der Wand abgewandte Seite zu legen. Ich hatte den Mund offen, und sonderbarerweise war es mir, als ob dies so sein müsse; es fiel mir gar nicht ein, ihn zu schließen. Und doch war ich mir zu derselben Zeit vollständig darüber klar, daß dies zu den Krankheitserscheinungen des exanthematischen Fiebers gehöre. Nun sah ich, wo ich mich befand. Es war ein hoher, lichter, weiß getünchter Raum, dessen Wände augenscheinlich aus starken Mauersteinen bestanden. Die beiden Seiten waren nicht durchbrochen. In der Hinterwand gab es eine breite Doppeltür, für die Gegend, in welcher wir uns befanden, eine große Seltenheit. An der Vorderseite standen zwei Säulen, die mit den Mauerwerken drei offene Bogen bildeten, durch welche Luft und Licht mehr als genugsam Zugang fanden. In der einen Ecke lag ich, in der anderen Halef, mit den Füßen nach der Tür gekehrt, damit die vorn hereinbrechenden Sonnenstrahlen nicht direkt in unsere Augen fallen mochten. Längs der ganzen Hinterwand waren blühende Pflanzen aufgestellt, zur Augenweide für uns, wie ich später hörte. Rechts, wo ich lag, stand in einer breiten Nische ein thronähnlicher Sessel. Vor ihm lag ein Teppich ausgebreitet, mit persischen Sitzkissen nach rechts und links. Ich schloß daraus, daß ich mich nicht in einem Wohnraum befand. In der Folge erfuhr ich, daß der Ustad hier die Ältesten des Stammes zu empfangen und mit ihnen zu beraten pflege. Es war ein kaum genug zu schätzender Vorzug für uns, daß er grad dieses Gelaß für uns bestimmt hatte. Ich sah an den Wänden Sprüche stehen; aber ich las sie nicht. Selbst denken konnte ich; aber geschriebene Zeichen in Gedanken zu verwandeln, das brachte ich nicht fertig. Bettstellen gab es natürlich nicht, doch waren unsere Lager von der größten, hierzulande ganz ungewohnten Reinlichkeit. Man hatte weiche Kissen hoch aufeinander gerichtet, so breit, daß mehrere Personen hätten nebeneinander liegen können, und die hellen, sauberen Kamelhaardecken waren so fein und leicht, als ob sie aus Seide gewebt worden seien. Halef lag still, ganz bewegungslos. Sein Gesicht war außerordentlich eingefallen; es glich dem einer Leiche. Seltsamerweise machte mich das nicht im geringsten bange. War das Vertrauen? Oder war es die Gleichgültigkeit, welche man bei Kranken oft zu beobachten pflegt? Unweit der Tür saß Schakara mitten im Pflanzengrün. Weiß war ihr Gewand. Sie hatte den Schleier nach hinten geschlagen. Ihr dunkles Haar hing in langen, schweren Flechten herab. Die schlanken Finger glitten über die Saiten der Sandurah (Orientalische Harfe). Darf man ein menschliches Wesen mit einem Gedicht vergleichen? Man sagt ja, daß der Mensch das herrlichste Gedicht der ganzen Schöpfung sei. Wenn nicht das herrlichste, aber gewiß eines der frömmsten sah ich hier!
    Hätte wohl ein europäischer Arzt erlaubt, in der Nähe so schwerkranker Personen Musik zu machen? Wahrscheinlich nicht! Es kommt ja wohl auch auf die Art des Instrumentes an. Der Harfenton ist der am wenigsten künstliche. Er bietet Klänge der Natur, wohllautend für das Menschenohr gestimmt. Dieser Wohllaut ist auch für kranke Nerven angenehm. Man darf einer Kurdin nicht zumuten, Künstlerin zu sein. Schakara griff nur die vorgestimmten Akkorde; sie wußte nichts von einer chromatischen Veränderung der Töne; aber grad durch diese diatonische Einfachheit war jede Mittätigkeit des Ohres ausgeschlossen; es empfing die Töne ebenso leicht und selbstverständlich, wie die Brust die Luftwellen, von denen sie herbeigetragen wurden, atmete. Daher kam es, daß diese Klänge die Seele unmittelbar berührten; sie schienen zur Atmosphäre dieses Hauses zu gehören und einen die Lebenskräfte hebenden, wohltuenden Einfluß auszuüben. Ich fühlte diesen Einfluß. Es war, als ob es in mir etwas gebe, was den Harfentönen verwandt sei, was lange, lange geschwiegen habe und nun endlich, endlich einmal mit erklingen dürfe. Darum berührte es mich fast wie eine Entsagung, wie ein Verlust, als Schakara aufhörte und die Harfe auf die Seite lehnte.
    „Bitte, spiel weiter!“ bat ich sie. Ich hatte diese Worte ganz unwillkürlich, fast ohne Willen ausgesprochen. Nun überkam mich eine Art von Verwunderung darüber, daß ich wieder sprechen konnte. Die Kurdin kam schnell zu mir herüber, ließ sich an meiner Seite nieder und sagte: „Suhker Chodeh! (Gott sei Dank!) Ich hörte deine Stimme! Siehst du mich, und verstehst du, was ich

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