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220 - Die Reise nach Taraganda

220 - Die Reise nach Taraganda

Titel: 220 - Die Reise nach Taraganda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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unter anderem mit dem deutschen Konsulat und der Kripo in Casablanca.« Er machte eine kurze Pause. Ostwald hörte ihn schwer atmen. »Ich bin daran interessiert, dass dieser Sau Schmerzen zugefügt werden. Sie wissen, wen ich meine.«
    »Ja«, sagte Ostwald leise. Ihm fiel auf, dass die hübsche mandeläugige Frau, mit der sein Chauffeur am frühen Nachmittag an der Rezeption geschäkert hatte, nicht fern von ihm am Tresen saß und ihn anschaute.
    »Ich will mich nicht über diese Filzlaus auslassen«, fuhr Dietherr fort. »Ich sage nur eins: Wenn Sie ihm den Schniedel kappen, steh ich einen Tag später mit einem Koffer und fünfhunderttausend Kröten vor Ihrer Tür.«
    Ostwald glaubte sich verhört zu haben. Er wagte jedoch nicht nachzufragen.
    »Haben Sie mich verstanden?«
    »Ich… ähm… Ich glaube ja.«
    »Sie brauchen Bedenkzeit, was?«
    Ostwald schluckte. Er wollte »Eigentlich nicht« sagen, weil er nicht mal darüber nachdenken wollte, doch zu seiner Verblüffung wollten die Worte nicht über seine Lippen.
    Eine halbe Million Euro! Was für ein Schweinegeld! Er hatte gerade mal hunderttausend Schulden! Mit einer halben Million war er für ewig und drei Tage aus dem Schneider! Damit hatte er nicht nur die Kredithaie von der Kasachenmafia vom Hals: Er konnte auch den Rest seiner Tage langsam angehen lassen und die Provinz hinter sich lassen. Er konnte sein Reihenhaus versilbern und sich im Kölner Schokoladenmuseum vergnügen! Außerdem würden alle Frauen ihn lieben.
    War Jussuf Ben Hadibi nicht eine elende Ratte? Hatte er nicht eine harsche Lektion verdient? Angenommen, Melanie wäre deine Tochter.
    »Ja«, hörte Ostwald sich sagen. »Ich brauch ‘n bisschen Bedenkzeit.«
    »Na, dann bis morgen.« Klick.
    Ostwald schaltete das Telefon ab, legte es auf den Tresen und angelte nachdenklich nach seinen Zigaretten. Hatte er eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Zog er wirklich in Erwägung, einen Menschen zu verstümmeln?
    Der Page hatte wohl irgendwo gewartet, denn er kreuzte wieder auf, nickte Ostwald zu und nahm das Telefon mit.
    Ostwald dröhnte der Schädel. Lag es am Bier?
    Er empfand eine eigenartige Nervosität, die sich aber legte, als sein Blick auf die Frau mit den Mandelaugen fiel. Sie saß vor einem Cocktail. Schick. Sie hatte einen leichten Silberblick, was er sehr erotisch fand. Wie alt sie wohl war? Anfang zwanzig? Er war vierzig, fast einundvierzig. Er hätte ihr Vater sein können.
    Komischerweise lächelte sie ihn an, was ihm gefiel. Hatte sie vielleicht einen Vaterkomplex? Oder glaubte sie, dass es ungefährlich war, die Bekanntschaft eines alten Knackers zu machen? An wen erinnerte sie ihn bloß?
    Ostwald umrundete den Tresen und blieb neben ihr stehen.
    »Hei«, sagte sie ganz unarabisch.
    »Glauben Sie mir bitte«, sagte Ostwald. »Wenn ich nur darauf aus wäre, die Bekanntschaft einer schönen Frau zu machen, fiele mir bestimmt ein besserer Anbaggerspruch ein. Aber… Es ist wirklich so, dass ich glaube, Sie von irgendwoher zu kennen.« Er sprach Französisch.
    »Ach…« Ihr Lächeln wirkte nun leicht spöttisch, aber nicht abweisend.
    »Entschuldigen Sie meine schlechte Kinderstube, Mademoiselle«, fuhr Ostwald fort und nannte seinen vollen Namen. »Ich komme aus Deutschland.«
    »Ich heiße Farah Hadibi«, sagte die junge Dame und deutete auf den freien Hocker neben sich. »Sind Sie geschäftlich in der Stadt?«
    ***
    Irgendwo im afrikanischen Busch, Juni 2524
    Es war Rulfan schwer gefallen, sich Lays Ultimatum zu unterwerfen. Anfangs hatte es ihn vergrätzt, dass sie sich keine platonische Liebe zwischen Aruula und ihm vorstellen konnte.
    Doch nach und nach hatte er begriffen, dass sie nicht ihn persönlich beargwöhnte, sondern den Mann an sich. Lay war, dies wurde ihm mit jedem Meter bewusster, ein Urwaldmensch: Wesen ihrer Art dachten nicht in Grautönen. Ein Lepaad war ein Lepaad; Diskussionen über Ethik und Moral machten eine Raubkatze nicht zum Vegetarier.
    Der Lepaad, der aus dem Geäst des Baumes fiel, unter dem Rulfan saß, dachte bestimmt auch nur daran, sich den Wanst voll zu schlagen. Er landete auf Samtpfoten zwei Meter hinter der fast nackten Frau, die mit gespreizten Beinen in einem Bach stand und einen unterarmdicken Fisch anvisierte. Ihre Rechte umfasste einen zwei Meter langen Spieß.
    Das gedämpfte Pfofff der Landung des Lepaaden ließ Lay herumfahren. Sie sah die gefleckte Bestie in dem Moment, in dem Rulfan wie von einer Feder abgeschossen auf die Beine

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