220 - Die Reise nach Taraganda
war, das hatte er schnell gemerkt, ziemlich direkt. Dass auch ihr Gesicht gerötet war, sah er nicht. In seinen Ohren rauschte das Blut, das noch durch all seine Gliedmaßen pumpte,
»Danke…« Er grinste. Irgendwie tat es ihm nun nicht mehr ganz so leid, sich auf diesen Kompromiss eingelassen zu haben. In Gesellschaft dieser Frau lernte er jeden Tag etwas Neues; nicht nur das Töten hungriger Raubkatzen.
Lay beugte sich über ihn. Schon war ihre Zunge in seinem Mund. Rulfan spürte, dass gewisse Muskeln auf ihre Zärtlichkeiten reagierten. Seit sie unterwegs waren, hatte ihre brachiale Sexualität ihn öfters überrascht. Nach der langen Phase ohne Partnerin fühlte er sich wie im Paradies, aber gelegentlich auch überfordert. Gerade heute, nach dem erschöpfenden Kampf gegen den Lepaaden, wurde ihm wieder einmal bewusst, wie viele Jahre ihn doch von seiner feurigen Geliebten trennten. Dennoch war es kein Problem für ihn, ihrem erneut aufflammenden Hunger zu begegnen: Er griff zu, zog sie an sich. Wieder rollten sie über den Boden. Rulfan schwang sich auf die Knie. Drei Minuten später explodierte Lay, und er brach nach Atem ringend neben ihr zusammen.
»Rulfan, Rulfan…« Lay nahm seine Hand und drückte sie. Rulfan war leicht benommen. Sie lagen im Ufergras auf dem Rücken und schauten zu dem schmalen blauen Streifen über dem Bach auf. Kein Wölkchen war am Himmel. Der Busch zirpte, pfiff und tirilierte. Rulfan stellte sich Taraganda vor, Lays Kral, der ganz anders sein sollte als die unterirdische Heimstatt des Stammes, in dessen Jagdrevier sie sich begegnet waren. Sie hätten vielleicht auch dorthin fliegen können. Doch leider hatte Lay Angst davor, ohne Verbindung zum Boden zu sein. Deswegen schlugen sie sich jetzt durch den Busch.
»Grrr…rrrrr«
Rulfan sprang auf und schaute nach seinem Säbel aus. Doch die haarige Hand, die sich auf seine Schulter legte, gehörte Zarr, dem riesigen teerfarbenen Gorilla, mit dem Lay aufgewachsen war. Die schnaufenden Geräusche, die er machte, waren seine Art des Lachens. Dass er geistig rege war und sich über Rulfans Erschrecken amüsierte, zeigten seine braunen Augen deutlich. Das Faszinierendste an ihm war jedoch, dass er sich mit den Menschen verständigen konnte.
Rulfan verstand nicht alles, was Zarr sagte, denn seine Stimmbänder waren anders strukturiert. Lay hatte keine Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Sie gehörten dem Volk der Zilverbaks an, der aus Affen und Menschen bestand.
»Vogel«, brummte Zarr traurig und klatschte Rulfan einen rotschnabeligen, entenartigen Kadaver in die Hand. »Ist kaputt!«
»Zeig!« Lay sprang ebenfalls auf.
Während Rulfan sich noch fragte, ob Zarr vielleicht schon längere Zeit in ihrer Nähe gewesen war, griff Lay mit beiden Händen in das blutbespritzte Gefieder des Vogels und stieß aufgeregte Laute aus.
»Da noch mehr Vogel.« Zarr deutete über seine Schulter. »Alle kaputt. Fallen von Himmel.« Er deutete ins Blau hinauf.
»Zarr geht auf Bäume… Patsch, patsch… Vogel, eins, zwei, drei, fällt aus Himmel!« Er zuckte auf rührend menschliche Weise die Achseln.
Rulfan musterte die tote Pseudo-Ente. Wenn sie wirklich kaputt vom Himmel gefallen war, musste ein Raubvogel sie in der Luft attackiert haben: Sie sah aus, als hätte ein Schnabel tausendmal auf sie eingehackt. Doch im Gegensatz zu manchen Menschen töteten Raubvögel nicht zum Vergnügen, sondern um sich von ihrer Beute zu ernähren.
»Was hältst du davon?« Er schaute Lay an.
»Weiß nicht.« Sie beschnupperte den Kadaver. Dann schaute sie Rulfan prüfend an. »Darf ich?«
Rulfan wollte Was? sagen, doch Lay packte die Ente mit spitzen Fingern und warf sie auf den Boden. Eine Sekunde später kniete sie auf allen Vieren neben dem blutigen Federbündel und beschnupperte ihn wie ein Lupa von allen Seiten.
»Kaputt, ne?« Zarr ging in die Hocke, zupfte an seinem linken Ohr und schaute zu. »Da drüben mehr.« Er deutete aus dem Hain, aus dem er gekommen war. Da war ein schmaler Pfad, der vom Bach aus nach Osten führte.
Grob gesehen waren sie aus dieser Richtung gekommen. Vorbei an den steinernen Ruinen eines verlassenen Minenstädtchens, einem versandeten Brunnen, rostigem Schrott und Gebäuden, die so ausgetrocknet waren, dass eine Hand sie umwerfen konnte. Sie hatten Zarr fasziniert, deswegen war er, als Lay und Rulfan am Bach gerastet hatten, dorthin zurückgekehrt, um sie sich anzusehen.
»Gruh?«, fragte Zarr.
Rulfan trat unweigerlich
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