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220 - Die Reise nach Taraganda

220 - Die Reise nach Taraganda

Titel: 220 - Die Reise nach Taraganda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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einen Schritt zurück. Das Wort benannte eine Krankheit, die er seinem ärgsten Feind nicht wünschte.
    Lay schaute auf. Ihr Blick besagte, dass sie sich nicht ganz sicher war. Zarr beugte sich vor. Obwohl er, wie alle Gorillas, fast nasenlos war, war sein Riechorgan sehr empfindlich. Er brummte. Sein Brummen verkündete nichts Gutes.
    »Nun?«, fragte Rulfan.
    Lay stand auf und rückte ihren Lendenschurz gerade. »Kein Gruh«, sagte sie. Sie schaute sich unbehaglich um. »Glaub ich.«
    Na toll, dachte Rulfan. Er holte seinen Säbel vom Uferrand. Als er sich umdrehte, versetzte Zarr dem Vogelkadaver einen Tritt, der ihn weit ins Dschungeldickicht hinein fliegen ließ.
    Als sie den Weg wieder aufnahmen, war ihre Stimmung nicht die Beste. Argwohn begleitete jeden von Rulfans Schritten. Bald fanden sie den zweiten und dritten Kadaver.
    Welche mysteriöse Kraft hatte die Vögel im Flug attackiert, ohne sie zu fressen?
    ***
    Unter der Wolken, Tansania, Februar 2011
    Das Dröhnen der Rotoren quälte Ostwalds Magen, doch schlimmer war der Lärm, den die aufgedrehten Schickimickis an Bord der Shawnee machten: Das Gegacker nervte ihn so, dass er eine perfide Phantasie entwickelte, in denen die Piloten sich als Jünger Osamas entpuppten – mit dem Auftrag, die gottlose Brut über dem Dschungel aus dem Hubschrauber zu werfen.
    Sein Traum erfüllte sich nicht: Zwar waren die Piloten, wie die Mehrheit von Farahs Geburtstagsgästen, Araber, doch alles andere als Fanatiker. Der Erste Pilot war zudem Farahs Bruder Rajid.
    Die ganze Champagner saufende Bande war auf westlichen Internaten erzogen worden, trug westliche Kleidung und war westlich orientiert: Kinder reicher Eltern, die in Paris, London und Mailand lebten und hoch bezahlten Tätigkeiten nachgingen.
    Ostwald war der Älteste an Bord – und der Einzige, der in Jeans, T-Shirt, Turnschuhen und Leinenjacke an den mysteriösen Ort flog, an dem die Party steigen sollte: im Busch von Tansania!
    Nach der aufregenden Nacht in ihrem Bett im Hyatt hatte Farah Hadibi ihn mit einer Einladung zur Feier ihres 21. Wiegenfestes überrascht. Sie schien ihn wirklich zu mögen. Nur ein Trottel hätte die Gelegenheit nicht genutzt. Bei einer Familienfeier kam er zweifellos in die Nähe ihres Bruders. Ostwald bezweifelte nicht, dass Jussuf zu der Feier kam: In der orientalischen Familie war die Welt noch in Ordnung. Deswegen hatte er sich schnell ein paar Sachen gekauft und war mit Farah in einem Learjet nach Mwanza geflogen, wo ihr Clan viele Immobilien besaß.
    Auf dem Landsitz der Familie hatte er ihren älteren Bruder kennen gelernt. Rajid Ben Hadibi war ein weltmännischer, fließend in fünf Sprachen parlierender Dr. rer. nat. und in der Chemiebranche tätig – ein sonnengebräunter, schwarzhaariger Playboy, den man sich gut am Spieltisch, auf dem Golfplatz, auf einem Rennboot oder am Steuerknüppel eines Hubschraubers vorstellen konnte.
    Auf seinem Landsitz war Ostwald auch zwei afrikanischen Gentlemen begegnet, deren weiße Anzüge und dunkle Brillen signalisierten, dass sie Geheimdienstler, Killer oder Heuschrecken im Auftrag des organisierten Bankenunwesens waren. Farah hatte ihm zugeflüstert, dass Rajid in seiner Eigenschaft als Chemie-Gigant mit diesen Herren lukrative Geschäfte machte, deswegen hatte sie sie ebenfalls einladen müssen.
    »He, Kemal, guck mal! Guck doch mal! Guck mal, da unten!« Neben Ostwald zerrte eine schlanke Schwarzhaarige mit goldenen Ohrringen ihren Begleiter an ein Bullauge. »Guck mal! Das glaubst du nicht!«
    Ihre Aufregung war ansteckend. Ostwald zerdrückte den leeren Kunststoffbecher, aus dem er Sekt getrunken hatte, schob ihn in Ermangelung eines Papierkorbs in die Jackentasche und schaute ebenfalls hinaus. Der Kopter – die Bundeswehr hatte die »Fliegende Banane« um 1975 ausgemustert, doch auf dem Schwarzen Kontinent gab es sie noch in Privathand – stand über einer glatten rechteckigen grauen Fläche, die einem Landeplatz ähnelte.
    Der Hubschrauber ging runter. Ostwald kniff die Augen zusammen und schaute genauer hin. Die von grünen Wipfeln umgebene Fläche war nicht die einzige ihrer Art: Jetzt erkannte er, dass die Maschine nicht auf einem betonierten Platz aufsetzen würde, sondern auf einem von mehreren Flachdächern. Hier, mitten im Busch?
    Ostwald drückte sich an der Scheibe die Nase platt. Mit jedem Meter, den die Shawnee tiefer sank, sah man umso deutlicher, dass die grauen Flächen ringsum begrünt waren. Er sah Hunderte von

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