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220 - Die Reise nach Taraganda

220 - Die Reise nach Taraganda

Titel: 220 - Die Reise nach Taraganda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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sind tot. Es gibt keine Zivilisation mehr. Zanda ist nun die Welt.«
    Sie seufzte leise. Dann erzählte sie Dinge, die Ostwald überraschten: Sie wusste, warum Rajid nicht mehr lebte. Die Apokalypse hatte ihn geläutert. Um niemanden in Versuchung zu führen, sich mit Hilfe chemischer Substanzen über andere zu erheben, hatte er die Glasbehälter mit den Konzentraten verschwinden lassen. Er hatte alle Formeln vernichtet; auch die für Jussufs Rauschdrogen. »Das Konzentrat hätte ihn für Jahrzehnte versorgen können, doch nun muss er seine mageren Vorräte rationieren, damit sie möglichst lange reichen. Ich glaube, seit einigen Wochen spritzt er sich mehr heiße Luft als sonst etwas.« Sie schaute Ostwald an. »Er ist nur noch ein unbeherrschtes Nervenbündel.«
    Ostwald dachte an die Zehn-Liter-Glasbehälter, die er im Kühlraum des Labors gesehen hatte. »Was hat Rajid mit dem Konzentrat gemacht?«
    »Er hat Löcher in einen vereisten Teich gehackt und sie versenkt. Er hat gemeint, am Grund eines gefrorenen Gewässers wären sie am sichersten aufgehoben. Er wollte das Gift ja nicht einfach irgendwo hinkippen, wo es sich auf die Umwelt auswirkt. Glas verrottet nicht. Es ist haltbarer als Metall.«
    Und falls das Eis irgendwann schmilzt?, dachte Ostwald. Der nukleare Winter wird ja nicht bis zum Jüngsten Tag anhalten. Aber bis dahin wären die Behälter auf dem Grund des Teiches längst in Sand oder Morast versunken. Dort würden sie bis in alle Ewigkeit liegen…
    Die Zellentür ging auf. Männer stampften herein. Jemand leuchtete Ostwald mit einer Taschenlampe ins Gesicht. »Muss Liebe schön sein…«
    Jussuf Ben Hadibi baute sich mit höhnischer Miene vor seinem Gefangenen auf und richtete eine lange Klinge auf dessen Adamsapfel. »In romantischen Geschichten ist es ja so, dass der Bösewicht, der sich stets bemüht, das liebende Paar zu trennen, am Ende einen garstigen Tod erleidet.« Er kicherte irre. Die Mienen seiner Begleiter zeigten deutliches Unbehagen. »Leider ist es im wirklichen Leben aber immer so, dass der Bösewicht siegt, weil er keine Skrupel hat, über Leichen zu gehen.«
    »So das Klischee.« Farah nickte. »Aber das wollen wir als akademisch gebildete Menschen doch nicht erfüllen.«
    Sie zog einen kurzläufigen Colt, richtete ihn auf die Stirn ihres Bruders und drückte ab. Der Knall war in der engen Zelle ohrenbetäubend. Ostwald, der mit allem, doch nicht damit gerechnet hatte, schaute sie fassungslos an. Jussuf klatschte mit einem dunklen Loch im Kopf zu Boden und war vermutlich schon tot, als er ihn berührte.
    Seine Lakaien wichen erschreckt vor Farah zurück. Keiner machte Anstalten, ihn vielleicht rächen zu wollen.
    Sie gestikulierte mit der Schusswaffe. »Bringt ihn raus und begrabt ihn.« Die Männer folgten ihrer Anweisung, froh, weiter leben zu dürfen.
    Farah nahm Ostwalds Hand und führte ihn aus seiner Zelle.
    »Was hast du vor?«, fragte er, als das Klingeln in seinen Ohren aufhörte und die finstere Zukunft, die er seit seinem Erwachen vor Augen hatte, allmählich einer helleren wich.
    »Ich übernehme die Macht in Zanda.«
    »Und dann?«
    »Es wird einige Zeit dauern, bis die Lage hier stabil ist.« Sie zwinkerte ihm zu. »Auch wenn meine Vettern nicht der Tradition anhängen, die Frau müsse dem Mann Untertan sein: Nicht alle werden davon überzeugt sein, dass ich den Laden in Schwung halten kann.« Sie seufzte. »Es wird vielleicht Diadochenkämpfe geben. Aber ich habe ja einen Prinzgemahl, der mit einer Kanone umgehen kann.« Sie drückte Ostwald den Colt in die Hand und einen Kuss auf die Wange. »Irgendwann, wenn ich den Respekt meiner Verwandtschaft habe, packen wir den ganzen Kram ein und suchen unser Glück woanders.« Sie schaute ihn an. »Gewisse Vorzeichen deuten darauf hin, dass die ewige Nacht bald zu Ende ist. Wenn es hell wird, möchte ich gern dort sein, wo es warm ist. Früher war das immer im Süden…«
    ***
    Zanda, 2524
    Als die Roziere über den Talkesselrand glitt, fühlte Matthew Drax sich wie in eine phantastische Welt versetzt: Unter ihm breitete sich eine Landschaft aus, die an den Krater eines erloschenen Vulkans erinnerte. Der Kessel strotzte vor Vegetation. In seiner Mitte ragten verschachtelte Flachdach-Gebäudekomplexe auf. Auch auf den Dächern wuchsen Bäume und blühten Gewächse.
    Matt fühlte sich an ein Gemeinwesen der Pueblo-Indianer erinnert. Er hatte keine Ahnung, wie alt diese »Stadt« war, doch es war nicht auszuschließen, dass

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