2217 - Die FemesÀnger
erfahren, Feuerfrau. Einst trat auch ich die Reise ins Crythumo an. Sie stahlen mir den Fötus. Später gehörte ich zu den Jägerinnen und führte ein Kommando, das geflohene Frauen aufspürte und in die Festung brachte. Ich habe beide Seiten der Verzweiflung kennen gelernt." Zephyda nahm die alte Frau in den Arm. „Euer Leid ist mindestens ebenso groß wie das meines Volkes im Wald von Pardahn. Wir schufteten in den Minen im Heiligen Berg, bis wir an Auszehrung starben. Damit ist es vorbei. Die KybbCranar können keine Motana mehr aus dem Wald holen."
„Der Preis, den ihr gezahlt habt, war zu hoch."
„Ja, aber wir haben nicht sie angegriffen, sondern sie uns. Wir kennen nicht einmal den Grund."
Zephyda knirschte mit den Zähnen. „Wenn wir nicht handeln, kann es deinem Volk auf Curhafe ebenso ergehen." Zusammen mit ihren vier Begleiterinnen verließen sie den Bahnhof. Kogiand lag zwischen hoch aufragenden Gebirgsmassiven.
Die Stadt bestand aus vielen kleinen Runddörfern mit bis zu zwanzig Häusern, die sich in dem länglichen Talkessel verteilten. Lediglich nach Südwesten hin erstreckte sich eine Ebene mit Wald. Die Motana steuerten ein kleines Gehöft in der Nähe der Bahnstation an. Schon von weitem hörte Zephyda das Schnauben von Tieren. Sie duckte sich fast unmerklich, ging auf Zehenspitzen weiter und lauschte auf die Geräusche, die das Schnauben begleiteten. „Die Tiere sind ungeduldig", sagte Garombe. „Man hat sie schon aufgezäumt. Sie wissen, dass es in die Berge geht."
„Es sind keine Raubtiere?" Zephyda entspannte sich erleichtert. „Die Fleddox sind zahm. Sie teilen Haus und Hof mit ihren Züchtern. Sieh nur, dort kommen sie."
Zwischen den Büschen schoben sich die kantigen Schädel riesiger Raubvögel hervor. Die Fleddox stießen ein markerschütterndes Krächzen aus. Zephyda bekam eine Gänsehaut und fröstelte jetzt genauso wie zuvor Garombe, „Sie machen nicht den Eindruck, als seien sie tatsächlich zahm."
„Warte, bis du auf ihrem Rücken sitzt. Es gibt nichts Angenehmeres, als sich von ihnen durch Schluchten und über schmale Felsgrate tragen zu lassen." Zephyda war völlig anderer Ansicht, aber sie unterdrückte den Reflex, auf dem Fuß umzukehren und mit dem nächsten Zug nach Biliend zurückzukehren. Die Fleddox beruhigten sich in dem Augenblick, als die Frauen das Geviert mit dem Anbindeplatz betraten. Zephyda sah nackte Haut, unter der violette Adern schimmerten. Die Fleddox sahen aus wie gerupfte Flugbratlinge von Baikhal Cain, nur zehnmal größer. Ihre Schnäbel waren weiß und spitz. Riesige gelbe Augen dominierten den Schädel. Appetitlich sahen sie nicht aus, eher abstoßend. Aber das empfand offensichtlich nur Zephyda so. Die Motana tätschelten die Vögel und liebkosten sie. Zephyda tat es ihnen nach. Es hieß, diese Art der Begrüßung schuf eine enge Verbindung zwischen Reiter und Tier. Zwei Männer halfen ihr beim Aufsteigen. Sie banden ihr Beine und Hüfte am Sattel fest, zeigten ihr die Notfall-Reißleine und wünschten einen guten Flug. Eine von Garombes Begleiterinnen schnalzte mit der Zunge. Die Fleddox machten einen Satz nach vorn, bei dem Zephyda sich fast das Kreuz brach. „Du sitzt da wie eine Bohnenstange!", rief die alte Garombe ihr zu. „Krümme deinen Rücken. Lass dich mit dem Becken tief in den Sattel sinken!" Sie befolgte die Anweisung. Ihr Fleddox gab ein fröhliches Schnattern von sich und fing an, sich beim Vorwärtsrennen um die eigene Achse zu drehen. Zum Glück war Zephyda als Bewohnerin des Waldes von Pardahn schwindelfrei. Nach einer Weile fing dennoch alles um sie herum an, sich zu drehen. Aber da hatten die Rennvögel das Ende des Talkessels erreicht. Sie hielten an und reihten sich hintereinander auf. Im Schritt ging es weiter, einen erst breiten und später schmalen Felspfad entlang nach oben. Ein einziges Mal sah Zephyda nach unten. Die Hälfte ihres Vogels hing frei über dem Abgrund. Tief unten lagen winzig und gerade noch erkennbar die Häuser der Stadt. Von diesem Augenblick an zwang Zephyda sich dazu, immer zur Bergseite zu schauen. Garombes Ankündigung bewahrheitete sich auf äußerst drastische Weise. Den ganzen Tag ging es durch Felseinschnitte und über schmale Grate nach Westen.
Kurz vor Sonnenuntergang erreichte die kleine Karawane ein ausgedehntes Schluchtensystem. „Du siehst eines der Naturwunder Curhafes unter dir", sagte Garombe, die hinter ihr ritt. „Ein inzwischen ausgetrockneter Fluss hat die Schluchten in
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