2217 - Die FemesÀnger
Umgebung Kogiands bestand aus unzugänglichen Felsbarrieren. Die zwölf Motana verfielen in Laufschritt. Bevor sie den Wald erreichten, fächerten sie sich zu einer Reihe auf. In Sichtweite zueinander suchten sie den Waldrand ab. Jetzt, da die Jagd in ihre heiße Phase trat, stellte sich bei Anthloza wieder dieses dumpfe Gefühl ein. Das Bewusstsein, etwas tun zu müssen, was sie nicht tun wollte, und doch nichts anderes tun zu können, erzeugte dieses Gefühl in ihr. Garombe erging es ähnlich. Die Schwester tauchte plötzlich neben ihr auf und nahm sie in den Arm. „Noch dieses eine Mal!", rief Garombe ihr in Erinnerung. „Wir sollten es so schnell wie möglich hinter uns bringen." Sie fanden die Stelle, wo die Flüchtende in den Wald eingedrungen war. Wieder roch Anthloza den Schweiß der Angst, den die Frau hinterließ.
Diesmal war er nicht ganz so intensiv wie in den Wäldern von Biliend. Die Flüchtende hatte ihren Vorsprung auf drei Stunden ausgebaut, den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Zügen. „Ihr nach!" Anthloza knirschte mit den Zähnen. Es kam ihr vor, als hätte sie das Todesurteil über die Frau gesprochen. In einer breiten Reihe drangen die Kopfjägerinnen in den Wald ein. Sie blieben auf gleicher Höhe und in Hörweite. Die Dämmerung setzte ein. Das Zwielicht des Waldes verwandelte sich innerhalb kurzer Zeit in nächtliches Dunkel. Die Augen der Jägerinnen passten sich schnell an. Ihr empfindliches Gehör unterschied problemlos zwischen eigenen und fremden Geräuschen. Anthloza ließ sich von Garombe führen. Sie hielt die Augen geschlossen, konzentrierte sich ausschließlich auf ihren Geruchssinn. Nicht immer hinterließ die Flüchtende eine deutliche Spur für die Nase. Es zeugte von starkem Stress und auch von Verzweiflung. Sobald sie den Aufenthaltsort der Frau ausfindig gemacht hatten, war höchste Vorsicht geboten. Eines, das wusste Anthloza seit ihrer ersten Jagd, würde sie sich nie verzeihen: wenn eine der Flüchtenden sich tötete. Mit Garombe hatte sie für diesen Fall abgesprochen, was sie dann zu tun gedachte. Selbst wollte sie auf keinen Fall weiterleben. Aber sie würde ihrem Tod einen Sinn geben, indem sie einen Kybb-Cranar tötete. Der Geruch nach Angstschweiß wurde intensiver. Anthloza verlangsamte ihre Schritte. Sie vermutete die Flüchtende nicht weit voraus. Die Flucht forderte ihren Tribut: Die Frau war müde und suchte einen Platz zum Schlafen.
Garombe und Anthloza blieben stehen. Die Jägerinnen hörten ihre Schritte nicht mehr, hielten ebenfalls an. Anthloza vernahm ein leises Rascheln. Der Wind trug es ihr zu. Es kam von vorn, und mit ihm erreichte sie erneut dieser Geruch. Todesangst! „Ich mache das allein", flüsterte die Kopfjägerin. „Bleibt, bis ich euch rufe!" Garombe ließ ihren Arm los. Anthloza duckte sich und schlich weiter. Das Rascheln verstummte. Aber der Wind wehte ihr noch immer den Geruch entgegen. Die Flüchtende merkte nicht, dass er sie verriet. Sie nahm ihn selbst nicht wahr. Anthloza huschte vorwärts. Sie duckte sich tiefer, schlüpfte unter Zweigen hindurch. Nach einer Weile sank sie auf die Zehen- und Fingerspitzen und bewegte sich so vorwärts. Dichtes Gebüsch tauchte vor ihr auf, eine Wand aus Ranken und Schlinggewächsen. Es musste die Flüchtende ungeheure Kraft gekostet haben, in das Dickicht einzudringen. Anthloza schob sich ins Innere des Dickichts, das sich ihr als kuppelartiger Hohlraum darbot. Die Frau lag zusammengekauert am Boden. Gleichmäßige Atemzüge kündeten davon, dass sie schlief. Dm hast es verdient nach der langen Flucht, dachte Anthloza. Sie legte ihren Kopf auf das feuchte Moos. Aber ich kann dir den Transport nicht ersparen. Du bist auserwählt. Wäre dir die Flucht geglückt, hätte eine andere Frau dein Schicksal ereilt, auf die das Los nicht gefallen ist. Das wäre noch ungerechter als das, was dir widerfährt. Die ganze Nacht über wachte Anthloza neben der Schlafenden. Die Jägerinnen kreisten das Dickicht ein. Als der Morgen graute, richtete sich die Anführerin der Kopfjägerinnen auf. Sie kniete neben die Liegende, strich ihr sanft über das Haar. „Es wird alles gut, glaube mir." Die Frau öffnete die Augen. Sie lächelte glücklich, dann fuhr sie mit einem Aufschrei empor. „Hinweg mit dir!", schrie sie Anthloza an. „Lass mich in Ruhe! Niemand rührt mich an!"
„Du bist unter Freunden." Anthloza erhob sich gemächlich, um der Frau keine zusätzliche Angst einzuflößen. „Glaube mir,
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