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2220 - Tote leben länger

Titel: 2220 - Tote leben länger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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das auf Anhieb den Eindruck wild wuchernden Fleischs erweckte. Was war dieser armen Kreatur bloß zugestoßen? Und, vor allem, wann?
    Entsetzt erkannte der Wissenschaftler, dass dieses vernarbte Gewebe Ähnlichkeit mit einem Gesicht hatte. Nur gab es weder Kinn noch Wangenknochen, und die Nase war ein zerfressenes Loch im Fleisch und darüber die Ahnung leerer Augenhöhlen.
    Er hatte immer geglaubt, vieles ertragen zu können. Doch jetzt schwoll das Pochen des Blutes in seinen Schläfen zum tosenden Katarakt. Ohne sich dessen bewusst zu werden, verkrampfte Myles Kantor die Arme vor seinem Leib. Ein heißes Würgen stieg von seinem Magen auf. „Wenn du den Anblick nicht erträgst, solltest du besser den Raum verlassen!"
    Kaum verständlich die Stimme der Medikerin gegen das Pochen in seinem Schädel. Vorübergehend schloss er die Augen und zwang sich zu gleichmäßigem Atmen. Homer hatte ihn hierher gebeten, weil es um den Direktor für die Waringer-Akademie ging. Aber dieser verstümmelte Überrest eines menschlichen Körpers - dass er überhaupt noch lebte, war schon ein Wunder. Falls das, was in dem Behälter schwamm, wirklich als Leben bezeichnet werden konnte. „Der erste Eindruck ... täuscht!"
    Homer G. Adams' Stimme klang gequält. Kein Zweifel, er hatte ebenfalls Schwierigkeiten, den Anblick des übel zugerichteten Körpers zu ertragen.
    Myles Kantor fror plötzlich. Vor allem ärgerte er sich über seine Reaktion. Für einen Augenblick hatte er dem verstümmelten Leib den Tod gewünscht. Aber darüber zu entscheiden, besaß er kein Recht. Sein Gegenüber mochte völlig anders denken und sogar das Dahinvegetieren in der Nährflüssigkeit als lebenswert bezeichnen.
    Vielleicht hatte er sich auch bewusst für diese Art der Existenz entschieden - so, wie Kantor selbst früher durch ein Attentat verstümmelt worden war und fortan zur Fortbewegung das „Kantormobil" genutzt hatte. Er war stur gewesen, hatte sich nicht helfen lassen wollen, bis ES ihm den Zeilaktivator verliehen und gleichzeitig seinen Körper wiederhergestellt hatte. Wer war er also, über diese geschundene Kreatur den Stab zu brechen? Und trotzdem ... etwas sagte ihm, dass niemand das hier gewählt hätte.
    Es gab kein Gesicht mehr, die Schädeldecke war zerschmettert, die Mehrzahl der Knochenfragmente vermutlich operativ entfernt. In diesen Bereichen lag das Gehirn zwar bloß, jedoch nicht ungeschützt. Eine transparente Haube umschloss die obere Schädelhälfte, sie erinnerte schon auf den ersten Blick an die SERT-Haube eines Emotionauten. „Du kennst diesen Mann", sagte Homer G. Adams. „Ich...?" Myles Kantor hatte sich verkrampft. Nein, er glaubte nicht, dass Homer wirklich wusste, was er da sagte. „Es ist Malcolm Scott Daellian!"
    Der Name traf den Wissenschaftler wie ein Schlag. Endlich wusste er, weshalb Adams ihn gerufen hatte. Und wie viel Zeit verstrich, das spielte plötzlich keine Rolle mehr.
    Hieß es nicht, dass kurz vor dem Tod das eigene Leben wie ein Film im Zeitraffertempo noch einmal vorüberzöge? Den Sturz aus gut zweihundert Metern Höhe konnte er nicht überleben, dennoch blieb die Flut der Erinnerung aus.
    Schwer prallte Morgem Feburo auf die Rundung des Haupttropfens. Schmerz tobte durch seine Hüfte, und sein instinktiver Griff nach einem Halt scheiterte an der glatten Fassade - das chromglänzende Material katapultierte ihn erneut ins Leere.
    Beinahe befand er sich jetzt auf der Höhe der Seitenkugeln, also noch mehr als zweihundert Meter über dem Boden. Er würde auf einer der Innenterrassen aufschlagen und ... Sein Magen rebellierte. Jäh hatte er das Gefühl, dass sein Sturz abgebremst wurde. Zudem entfernte er sich vom Haupttropfen.
    Die wegstrebende untere Tropfenrundung bewirkte diesen Eindruck. Über ihm blähte sich ein Glutball auf. Der Gleiter war explodiert; seine brennenden Wrackteile wirbelten in alle Richtungen. Wie ein Meteorit, der in der Atmosphäre auseinander brach und einen Glutschweif hinter sich herzog.
    Gleichzeitig erkannte Feburo, dass aus seinem Sturz tatsächlich eine sanfte Aufwärtsbewegung geworden war.
    Sein Puls raste. Er glaubte nicht, dass einer der Gleiter oder gar die Besatzungen der Space-Jets eingegriffen hatten, ihre Positionen erschienen ihm unverändert hoch. Wahrscheinlich war an Bord der Maschinen sein Absturz sogar unbemerkt geblieben.
    Die unsichtbare Kraft entließ ihn aus ihrem Griff, als seine Füße den Boden berührten. Morgem taumelte einige Schritte weit, bis

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