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2220 - Tote leben länger

Titel: 2220 - Tote leben länger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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er Daellian seinerzeit abgeworben hatte.
    Du könntest heute noch deinen Körper haben und nicht diesen ... diesen Kasten. Myles Kantor erschrak über sich selbst. Weil solche Gemütswallungen schlechte Ratgeber waren und weil ohnehin niemand das Geschehene ändern konnte.
    Daellian befand sich in einem „Sarg". Tief atmete Myles ein. Sein Ärger war fehl am Platz. Es galt, Enttäuschungen von einst zu vergessen und einen Neuanfang zu wagen.
    Myles Kantor ging weiter und blieb erst vor dem Medotank stehen. Die zusammengepressten Lippen sollten sein inneres Beben kaschieren. Endlich streckte er die Hände aus und berührte zu beiden Seiten der ockerfarbenen Pyramide das halbtransparente Material. Das war beinahe so, als würde er einem Freund die Hände auf die Schultern legen. Zumindest war es das, was er sich einredete. Die Pyramide erschien ihm wie ein stilisierter Kopf. Er wusste es nicht, aber er vermutete, dass sie eine Vielzahl von Sensoren enthielt.
    Die Nährflüssigkeit schlug stärkere Wellen.
    Zu beiden Seiten des Tanks ragten Gebilde wie Haltegriffe eine Handspanne weit nach außen. Von ihnen hing jeweils eine dreiteilige Struktur nach unten, die wohl eine Art Armmechanismus darstellte, obwohl allein schon einfachste Roboterarme ästhetischer aussahen. Die Greifwerkzeuge von Robotern waren äußerlich von menschlichen Gliedmaßen schon lange nicht mehr zu unterscheiden. Aber das hier? Optisch wirkte alles primitiv. Andererseits wusste Myles Kantor nur zu gut um die vielfältigen Überraschungen, die sich hinter einem einfachen Design verbergen konnten.
    In der Tat. Die Struktur beider Arme veränderte sich gedankenschnell. Finger bildeten sich aus, während die dreigliedrigen Fortsätze nach oben ruckten.
    Mikrofasern, erkannte Myles. Tausende haardicker Fasern gruppierten sich neu, verdrehten sich ineinander und formten Arme, Hände und Finger, die mit geschmeidiger Präzision zupacken konnten. In ihrem Aussehen waren sie zwar nicht mit dem menschlichen Vorbild zu vergleichen, doch diese Fasern besaßen entscheidende Vorteile in puncto Beweglichkeit und Kraft. Sie konnten grob zufassen, erreichten aber auch die Präzision feinmechanischer Werkzeuge. Zudem war ihre Reißfestigkeit jener natürlicher Muskeln überlegen, und dass sie ähnlich wie Glasfasern Licht leiten und bündeln konnten, erlaubte jegliches Hantieren sogar bei völliger Dunkelheit.
    Falls es jemals erforderlich werden sollte, seine Arme ganz oder teilweise zu ersetzen, Myles Kantor wusste schon lange, dass er dann nicht auf eine genetische Neuzüchtung, sondern auf Mikrofaserimplantate zurückgreifen würde. Nur für den Durchschnittsterraner waren sie noch unerschwinglich.
    Fest schlössen sich die künstlichen Finger um seine Handgelenke. Der Griff wurde schmerzhaft. Trotzdem hielt Myles stand, ohne einen Laut von sich zu geben.
    Abermals erklang die maschinenhaft kalte Lautsprecherstimme. „Myles Kantor ...", sagte sie. „Und Homer G. Adams... Ihr stört die Ruhe eines Toten? Warum?"
    Schweiß perlte auf Kantors Stirn. An seinen Schläfen waren die Adern angeschwollen, dennoch blickte er der Medikerin schweigend hinterher, als sie den Raum verließ. Homer G. Adams hatte Dr. Kompar unmissverständlich gebeten, sie allein zu lassen.
    Als das Schott hinter ihr zuglitt, stieß Kantor die Luft aus. „Willst du mir die Handgelenke brechen, Malcolm?"
    Endlich löste Daellian wortlos den festen Griff. Seine Kunstarme pendelten in die Ausgangsstellung zurück. „Das ist kein Höflichkeitsbesuch?" Nach bangen Sekunden durchschnitt Daellians Frage die Stille. Nichts ließ darauf schließen, dass er eine besondere Regung empfand. „So ist es", sagte Homer G. Adams, bevor Kantor zu einer zögernden Antwort ansetzte. „Wir sind aus einem anderen Grund gekommen. Die Welt hat sich verändert..."
    „Ich weiß!" Zum ersten Mal schwang so etwas wie eine Empfindung in der mechanischen Stimme mit.
    Besorgnis und ein Hauch von Unbekümmertheit mischten sich. „Ich bin weder blind noch taub."
    „Die Probleme sind vielschichtig", stellte Adams fest. „Alle hochgezüchtete Technik versagt oder zeigt gravierende Leistungseinbußen", fügte Kantor hinzu. „Die Grundlagenforschung muss neu betrieben werden, und es gilt, ausgefahrene Wege zu verlassen."
    „Ich sagte doch: Ich weiß!" Der Medotank, eben noch scheinbar unverrückbar am Boden stehend, aktivierte ein schwaches Prallfeldpolster. Langsam glitt er um die beiden Besucher herum, als wolle das

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