2226 - Zwischen den Äonen
nicht so recht wussten, wohin sie gehörten.
Ein kleiner Teil der Herren aber stellte sich der neuen Anforderung, die ES an sie herantrug. Sie sollten als Wächter über die Hyperkokons dienen. Es war die reinste Ironie des Schicksals... die Herren ersetzten lediglich ein anderes Wächtervolk, dessen Zeit soeben abgelaufen war."
„Was für ein Volk?"
Aago schüttelte bedauernd den Kopf. Die Geste rührte fast menschlich an. Oder passte er sich ihr an, indem er sie nachahmte?
„Das weiß ich leider nicht. Diejenigen Herren, die hier blieben, überdauerten Äonen. Aber auch ihre Zahl wurde immer geringer. Die Herren pflanzten sich kaum noch fort, schließlich gar nicht mehr."
„Eigentlich ist es seltsam", murmelte Lyra, „dass ES noch keine neuen Wächter berufen hat." Sie konnte nur Vermutungen anstellen, ob dafür vielleicht irgendwann einmal die Terraner vorgesehen waren oder vielleicht das immer weiser werdende Volk der Haluter, die Linguiden ... oder vielleicht ganz andere Wesen. Doch wer konnte schon ahnen, welche Gedanken eine solche Entität hegte? Vielleicht fanden sie ja irgendwo in der Station Unterlagen über diese Ereignisse, die vom Dunkel der Äonen verhüllt wurden.
„Einige Herren wählten eine versteinerte, halb lebendige Existenzform als Wächter im Hyperfeld", fuhr der Cremashe fort.
„Die Statuen, denen Trim und Startac in der Station auf Hayok begegnet sind", murmelte die TLD-Agentin.
Aago von Gern sah sie fragend an.
Lyra erklärte kurz, was dort geschehen war. „Trims Worten zufolge wollten diese Wesen sterben ... ihre Existenz beenden", schloss sie.
„Das kann schon sein."
„Und was wurde aus dir?"
„Mir stand diese Möglichkeit nicht offen. Ich war ein Diener, keiner der Herren. Ein Ewiger Diener. Ich wählte stattdessen eine Existenz in einem konservierten Zustand – für den Fall, dass die verschwundenen Herren eines Tages zurückkehren würden und meiner bedurften. Und nun bin ich wieder wach ..."
Aago von Gern seufzte leise und deutete auf die Hologramme, die sich in den Hintergrund des Raums zurückgezogen hatten. Nun, da sie gebraucht wurden, kamen sie wie aus eigenem Antrieb wieder näher.
„Die Messgeräte zeigen deutlich, dass die Hyperkokons in den Normalraum zurückfallen werden. Ich kann nichts, aber auch gar nichts daran ändern." Er schwieg kurz. „Damit ist der uralte Auftrag erloschen, der mich an die Station gebunden hat", fuhr er dann fort. „Ich bin nun frei." Lyra versuchte herauszuhören, welche Regungen in diesen Worten mitschwangen. Bedauern, Resignation? Sogar so etwas wie Verzweiflung? Nein, eher ein nüchternes Akzeptieren der Situation. Und eine gewisse Ratlosigkeit.
Was soll ich jetzt tun? Das waren die Worte, die Aago von Gern eigentlich aussprechen wollte.
„Was wird jetzt geschehen?", fragte sie. „In der Milchstraße, meine ich. Was für eine Gefahr geht von den Mächten aus, die ES damals in die Hyperkokons verbannt hat?"
„Das ist schwer zu sagen. Vielleicht werden die Mächte, die mit Hilfe der Kokons voneinander getrennt wurden, erneut beginnen, Krieg zu führen. Niemand kann außerhalb der Kokons sagen, wie viel Zeit in ihrem Inneren wirklich verstrichen ist. Vielleicht sind sie in der Isolation längst erloschen, vielleicht sind sie stärker denn je. Niemand kann das sagen."
„Die Völker der Milchstraße werden es herausfinden", murmelte Lyra düster.
„Ich befürchte es. Aber das gilt nicht mehr für mich. Meine Wacht ist zu Ende, und ..."
„Und du weißt nicht, was du jetzt tun sollst?" Lyra schaltete das Holo-Aufzeichnungsgerät aus. „Ja.
Soll ich eine nutzlos werdende Station bewachen? Bis ich sterbe?"
Sie fasste all ihren Mut zusammen, um solch einem Wesen, das unfassbar mehr als sie erfahren, erlebt und gesehen hatte, einen Ratschlag zu geben oder zumindest einen Denkanstoß. „Oder einen neuen Anfang wagen?"
Er zögerte, betrachtete sie nachdenklich. „Ja, das könnte es sein ...", sagte er schließlich, doch sie hatte den Eindruck, dass er in Wirklichkeit eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen. „Ich will diese Galaxis, diesen Teil des Universums nun verlassen und nie mehr zurückkehren. So, wie es einst der größte Teil der Herren vorgemacht hat. Und ..."
Wieder dieses seltsame Zögern, als müsse nun er allen Mut aufbringen, um die Worte über seine Lippen zu zwingen. „Und ich möchte dich fragen, ob du ..."
In diesem Augenblick erklang die Alarmsirene.
Aago von Gern riss die Augen
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