2226 - Zwischen den Äonen
nach den richtigen Worten. Gerade wusstest du noch, was du sagen wolltest, doch nun befürchtest du, dass du keine Silbe über die Lippe bringen wirst.
Aus Angst, dich lächerlich zu machen? Dir eine Abfuhr einzuhandeln? Das ist der Augenblick, von dem du wusstest, das er kommen würde. Der Augenblick, den du mit jeder Frau erlebt hast, mit der du eine Beziehung aufgenommen hast. Nicht unbedingt eine Liebschaft, ebenso eine berufliche oder gesellschaftliche Beziehung. Du warst immer für die Herren da, doch sie haben dir auch ein eigenes Leben gelassen.
Aber mit Lyra Morgen ist es etwas anderes. Alles kommt zusammen. Du weißt, dass dein altes Leben verwirkt ist. Äonen der Dienste für deine Herren liegen hinter dir; nun ist der Zeitpunkt des Wandels gekommen, und was die Äonen bringen, die vielleicht noch vor dir liegen, kannst du beim besten Willen nicht einmal ahnen.
Du kannst nicht mit der Tür ins Haus fallen. Dir wird immer klarer, dass dir sehr viel an dieser Frau liegt, aber ... ihr kennt euch praktisch gar nicht, erst seit wenigen Stunden. Auch wenn du dich von ihr unwiderstehlich angezogen fühlst... wer sagt dir, dass diese Empfindung auf Gegenseitigkeit beruht? Du befürchtest, eine Enttäuschung zu erleben, die du nicht so leicht verkraften wirst. Dein altes Leben liegt in Trümmern; wird es dir gelingen, dein neues in den Griff zu bekommen? Du wartest, bis die beiden Mutanten dein Quartier verlassen haben. Dir fällt auf, dass sie Lyra ansehen und erst gehen, als die Frau nickt.
Du bedeutest ihr, sich zu setzen, und nimmst ihr gegenüber Platz. Du atmest tief ein.
„Ich ... will nicht in der alten Station der Herren bleiben", sagst du dann. „Ich muss einen neuen Anfang suchen, an einem anderen Ort. Mein Leben neu beginnen und vielleicht herausfinden, ob es anderswo noch Überlebende meines Volkes oder der Herren gibt."
Sie sieht dich an. Hinter ihrer Stirn arbeitet es. Denkt sie darüber nach, was du ihr sagen wirst, oder schon darüber, was sie darauf antworten wird?
„Aber ich möchte das nicht allein tun", sagst du.
Lyra schluckt. „Willst du damit sagen ..." Sie hält inne, wirkt verstört, verunsichert.
„Ja. Ich möchte dir anbieten ... dich bitten, mich zu begleiten, mit mir zu fliegen. Wir ..."
Nun kannst du den Satz nicht vollenden, brichst schon nach dem ersten Wort ab. Du senkst den Blick, nimmst allen Mut zusammen ...
„Wir sind füreinander bestimmt", flüstert sie so leise, dass du sie kaum verstehst. Überrascht schaust du auf. Genau das hast du sagen wollen.
„Und wenn ich zustimmen würde?"
„Ich ..." Jetzt siehst du sie endlich an. „Ich wäre glücklich. Aber ..."
„Ich werde nie wieder Menschen sehen, willst du mir sagen?"
„Und du wirst auch die Erde nicht wiedersehen. Wir werden diese Galaxis verlassen, vielleicht sogar diese Mächtigkeitsballung. Wir werden Spuren meiner Herren suchen und ihnen nachgehen, sobald wir sie gefunden haben, ganz gleich, wohin sie uns führen ..."
Du fragst dich, was in ihr vorgeht, während sie dort sitzt und über das nachdenkt, was du ihr gerade gesagt hast. Nach welchen Kriterien wird sie ihre Entscheidung treffen? Aus romantischen Gründen?
Weil sie in dir einen Seelenverwandten gefunden hat, wie es im gesamten Universum wohl keinen zweiten gibt?
Oder aus praktischen Gründen, weil sie sich von den Menschen stets ausgestoßen fühlte? Weil sie mit ihren Artgenossen eigentlich nichts mehr verbindet? Höchstens noch ihre Aufgabe, ihre Berufung, die Erforschung der vorterranischgalaktischen Geschichte.
Und wer wäre besser geeignet als du, sie an die Geheimnisse heranzuführen, die diese Geschichte birgt? Du ... ein Zeitzeuge. Und vielleicht wirst du ja auch deine Liebe für diese Fragen entdecken, die unter dem dunklen Umhang der Zeit verborgen liegen.
Dir fällt auf. dass du Lyra noch kein einziges Mal berührt, umarmt hast. Euer Kontakt beschränkt sich bislang auf die geistige Ebene, aber dagegen hast du nichts einzuwenden. Sie erhebt sich, sieht dich an. Lächelt. „Und womit fliegen wir ins Universum hinaus?"
Meint er es ernst?, fragte sich Lyra Morgen. Und wenn ja ... warum ausgerechnet ich? Was findet er an mir?
Sie gestand sich erneut ein, dass sie von Aago von Gern geradezu fasziniert war. Dass sie noch nie einem körperlich so attraktiven männlichen Wesen begegnet war.
Aber wieso interessiert er sich für mich?
Ihr Herzschlag stockte, als er dastand, sie ansah, nicht zu begreifen schien.
War alles
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