223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
seinen Augen kaum trauen, als er sah, wie sie sich von der Frau verabschiedete, mit der sie eben aus dem Haus gegangen war. Endlich war sie allein. Dass sie ihr Kind auf dem Arm hatte, machte nichts aus. Farley wechselte die Straßenseite so zeitig, dass er sie kurz vor der Haustür abpassen konnte.
Sie war derart mit ihrem Kind beschäftigt, dass sie ihn nicht näher kommen sah. Erst als er sich ihr in den Weg stellte, blickte sie auf – und stieß einen erstickten Schrei aus.
Farley lächelte so zuvorkommend wie damals, als er sie verführt hatte. „Madeleine, meine Liebe! Es ist mir ein Vergnügen, dich zu sehen.“
Beschützend drückte sie ihre Tochter an sich. „Lassen Sie mich bitte vorbei.“
„Ich möchte mit dir reden.“ Er legte eine Hand auf ihre Schulter, aber Madeleine entzog sich seiner Berührung.
„Ich möchte aber nicht mit Ihnen reden.“
Er verstellte ihr den Weg und legte einen Arm um ihre Taille, sodass sie sich ihm nicht entziehen konnte. Sein Mund war nahe an ihrem Ohr, als er ihr zuflüsterte: „Ich will dich wiederhaben, Madeleine.“ Er konnte nicht widerstehen und fuhr mit der Zunge über ihr Ohrläppchen.
Auf einmal bohrte sie den spitzen Absatz ihres Schuhs in seinen Fuß, woraufhin er sie ungewollt losließ. Madeleine lief los, war aber nicht schnell genug.
Er bekam sie abermals zu fassen und zischelte ihr zu: „Du wirst zu mir zurückkehren, Madeleine, sonst wirst du eines Nachts deinen tapferen Soldaten mit einem Messer im Rücken vorfinden.“
„Nein!“ Sie versuchte, sich von ihm loszuwinden. Das Kind begann zu weinen.
Farley vergrub seine Finger in Linettes Locken. „Ich frage mich, wie schnell ich dir wohl dieses Kind entreißen könnte. Einige Fabrikbesitzer würden für die Kleine einen anständigen Preis bezahlen. Vielleicht würde ja auch ein Gentleman gern etwas Zeit mit ihr verbringen.“
„Fassen Sie sie nicht an“, schrie sie Farley an. Voller Entsetzen malte sie sich aus, wie man ihre Tochter zwingen würde, schwere und schmutzige Arbeiten auszuführen, nur weil Kinder billiger waren als Maschinen. Sie wagte gar nicht erst, sich vorzustellen, was ein „Gentleman“ ihr antun würde.
„Ich sage es dir noch einmal, Madeleine. Komm zurück zu mir, sonst mache ich meine Drohungen wahr. Du weißt nie, wann ich zuschlagen werde. Ich bekomme euch beide zu fassen, dessen kannst du dir gewiss sein.“
Ein Mann kam ihr zügig entgegen.
„Sir! Sir! Bitte, helfen Sie mir!“
Der Mann wandte sich an Farley: „Lassen Sie die Dame in Ruhe.“
„Das geht Sie nichts an“, gab der zurück. „Meine Geliebte ist nur etwas widerspenstig, weiter nichts.“
„Nein“, flehte Madeleine den Fremden an. „Hören Sie nicht auf ihn!“
Er packte Farley am Kragen und zog ihn so heftig nach hinten, dass dem Lord die Luft abgeschnürt wurde.
„Lassen Sie die Lady los“, forderte der Mann leise.
Farley versuchte vergeblich, nach Luft zu schnappen. Er wusste, das Blatt hatte sich gegen ihn gewendet, also befolgte er die Aufforderung.
„Verschwinden Sie.“
Ehe er das jedoch tat, verbeugte er sich vor Madeleine. „Denk daran, was ich gesagt habe, meine Liebe. Ich werde meinen Plan in die Tat umsetzen.“
Anschließend schlenderte Farley betont lässig davon und gab sich große Mühe, sich seine momentane Niederlage nicht anmerken zu lassen.
Madeleine hielt Linette an sich gedrückt, die die Arme um ihren Hals geschlungen hatte. „Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken kann, Sir. Wir stehen tief in Ihrer Schuld.“
Der Mann verbeugte sich. „Es war mir ein Vergnügen, Ihnen helfen zu können. Darf ich Sie noch bis an Ihr Ziel begleiten?“
Auf einmal erkannte sie in dem Mann Devlins Freund, der kurz zuvor noch mit Miss Reynolds in der Kutsche gefahren war.
„Danke, aber ich bin schon so gut wie am Ziel.“ Sie sah zur Haustür, die nur noch ein Stück weit entfernt war.
Miss Reynolds stand erstaunlicherweise davor und betrachtete sie aufmerksam. Madeleine konnte ihr nicht aus dem Weg gehen und eine Seitenstraße einschlagen, da sie zu große Angst hatte, noch einmal Farley zu begegnen, wenn sie wieder allein zurückmusste.
Sie ließ sich von Devlins Freund bis zum Hauseingang begleiten, dann sagte sie: „Hier bin ich richtig. Vielen Dank, Sir.“
„Hier?“, fragte er verwundert. „Das ist Devlin Steeles Wohnung.“
„Ich … ich arbeite für ihn“,
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