223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
erklärte sie kleinlaut.
„Tatsächlich?“ Der Mann lächelte für einen Moment ein wenig zynisch, wohingegen Miss Reynolds schockiert zu sein schien.
„Dann sollten wir uns auch vorstellen“, sagte er. „Dies ist Miss Reynolds, ich bin Captain Ramsford, ein Freund von Lord Devlin.“
„Mama, ich will Daddy!“, jammerte Linette.
Die beiden Besucher reagierten erstaunt, während Madeleine mit rotem Kopf die Tür aufschloss. „Ich werde nachsehen, ob Lord Devlin zu Hause ist.“
Sie verschwand mit Linette im Haus und kümmerte sich nicht darum, ob die beiden es für unhöflich hielten, wie zwei Krämer vor dem Eingang warten zu müssen. Sie rief nach Devlin, bekam aber keine Antwort.
Ehe sie wieder nach draußen ging, konnte sie durch den Türspalt die beiden Besucher reden hören.
„Meine Güte“, rief Miss Reynolds.
„Beruhigen Sie sich. Sie werden Devlin schon noch zu sehen bekommen.“ Spöttisch fügte er dann an: „Bis dahin können Sie auf mich zählen.“
Madeleine öffnete die Tür und erklärte: „Lord Devlin ist nicht zu Hause.“
Ramsford sah sie eigenartig an. „Zu schade.“ Dann wandte er sich Miss Reynolds zu. „Wir sind vergeblich hergekommen, wie ich es vorausgesagt hatte. Vielleicht gestatten Sie mir ja jetzt, Sie nach Hause zu bringen.“
Sie reagierte mit einem stechenden Blick, dann fragte sie Madeleine: „Wer war dieser Mann, der Sie belästigt hat?“
„Niemand, den Sie kennen müssen, Mylady“, gab sie rasch zurück.
„Fühlen Sie sich wohl, Miss …?“
Madeleine wusste, dass Miss Reynolds ihren Namen erfahren wollte, aber sie senkte bloß den Blick und erklärte: „Ich benötige keine weitere Hilfe.“ Über die andere Frage ging sie hinweg. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich muss mich um meine Tochter sorgen.“
Mit diesen Worten verschwand sie ins Haus, verriegelte die Tür und kümmerte sich um Linette, die sie auf der Treppe abgesetzt hatte. „Komm, mein Schatz“, sagte sie besänftigend. „Der böse Mann wird uns nicht noch einmal Angst machen.“
Der Nachmittag verstrich nur schleppend, und mit jeder Minute sehnte Madeleine Devlins Rückkehr mehr herbei. Sie wollte ihn wissen lassen, was ihr Vater vorhatte und welche Drohung Farley ausgesprochen hatte. Wenn er ihr nichts von Miss Reynolds sagen wollte, dann würde sie so tun, als wisse sie von nichts. An ihrer Zukunft würde es ohnehin nichts ändern.
Je mehr Zeit verstrich, umso unruhiger wurde sie. Wenn sie aus dem Fenster sah, war immer ein Mann zu entdecken, der sich auffällig benahm, indem er ungewöhnlich langsam ging oder sich an die gegenüberliegende Straßenlaterne lehnte. Keiner von ihnen war Farley, aber die Männer kamen ihr bekannt vor – seine Handlanger. Er ließ sie also beobachten.
Entsetzt malte sie sich aus, wie Devlin in irgendeiner Gasse lag, ein Messer in seinem Rücken. Als wäre das nicht schon beunruhigend genug, wechselten sich diese Bilder mit solchen ab, die ihn in den Armen von Miss Reynolds zeigten.
Als an die Tür geklopft wurde, zuckte sie zusammen, ihr Herz begann zu rasen. Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass es weder Farley noch einer seiner Leute war, sondern ein Diener in der Livree der Heronvales. Sie öffnete und nahm einen Umschlag entgegen, der an sie adressiert war.
Mit zitternden Fingern brach sie das Siegel und las: Meine liebste Maddy, ich bin in einer dringenden Angelegenheit unterwegs. Nach meiner Rückkehr werde ich alles regeln. Ich werde nur für eine Nacht fort sein, morgen zum Abendessen bin ich wieder zurück. Informiere bitte Bart. Gib Linette einen Kuss von mir. Liebe Grüße, D.S.
Sie faltete den Brief zusammen und überlegte, um welche dringende Angelegenheit es sich handeln mochte. Hatte es etwas mit Miss Reynolds zu tun? Wenigstens konnte Farley seine Drohung nicht in die Tat umsetzen. In dieser Nacht würde Devlin nicht tot in irgendeiner Gasse liegen.
Madeleine widmete sich wieder dem Nähen, um zur Ruhe zu kommen. Linette spielte ein Stück entfernt auf dem Fußboden. Durch einen Spalt in der Gardine beobachtete sie zwei Männer, wie sie sich unterhielten und das Haus ausgiebig betrachteten. Wie lange würde es dauern, ehe sie erkannten, dass nur sie und Linette da waren?
Auf einmal stach sie sich mit der Nadel und nahm den Finger in den Mund, um die Blutung zu stoppen.
Sie konnte doch nicht einfach hier sitzen und darauf warten, dass
Weitere Kostenlose Bücher