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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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kleinen Gruppe des Bauern zur Höhenstraße Richtung Yspertal. Das Grab liegt auf einer Anhöhe nicht weit vom Brandstetterschen Haus. Als die Erde an einer Stelle des zirka 25, 30 Meter langen Massengrabes geöffnet wird, kommen 2 Reihen von Begrabenen zum Vorschein. Gottlob sind weder Marton Rosenthals Frau und Tochter, noch Tibor Yaakow Schwartz’ Mutter und Schwestern noch Verwandte des jungen Mannes aus Miskolc darunter. Die Gesichter der Toten sind von Erde und Feuchtigkeit und vom beginnenden Verwesungsprozess verklebt und entstellt.
    Marton Rosenthal spricht das Kaddisch über dem teilweise geöffneten Grab.
    Die 3 Russen entfernen sich wortlos noch während der Zeremonie, Georg Forsthofer harrt jedoch bis zum Ende aus. Dann legt er die rechte Hand grüßend an seinen Hutrand, dreht sich langsam auf seinen Fersen um und beginnt ohne ein weiteres Wort heimwärts zu marschieren.
    »Georg Forsthofer, Brand, Post Persenbeug«, schreit ihm Tibor nach, als der Bauer schon 20, 30 Schritte entfernt ist. Georg Forsthofer dreht sich um und grüßt noch einmal mit der Hand am Hut.
    Der junge Mann aus Miskolc beginnt das von den beiden russischen Gemeinen geöffnete Grab wieder zuzuschaufeln. Einer der beiden Russen hat einen Spaten zurückgelassen.
    Ein gutes Dutzend Kilometer östlich von Persenbeug fragt Tibor Yaakow Schwartz später wegen seiner schmerzenden Fußsohlen den Kutscher eines Fuhrwerks mit KZ-Überlebenden aus Mauthausen, die ebenfalls Richtung Osten unterwegs sind, ob er mitfahren dürfe. Die Bitte wird dem Buben nicht abgeschlagen, mit knapper Not ist gerade noch ein Platz auf dem Karren frei. Damit trennt sich sein Weg für immer von dem des Marton Rosenthal und des Mannes aus Miskolc. Ersterer stirbt 1962 kinderlos in Givataim in Israel, zweiterer verschwindet für immer in der Unbestimmtheit der Geschichte, sodass hier nicht einmal sein Name genannt werden kann.
    Tibor Yaakow Schwartz schlägt sich nach der Trennung von seinen beiden Gefährten alleine durch und erreicht schließlich nach einer langen, mühseligen und mitunter auch gefährlichen Reise Mitte Juni 1945 Budapest. Dort findet er seinen Vater und einige wenige Verwandte, die ebenfalls wie durch ein Wunder überlebt haben, im elterlichen Haus wieder. Wenige Wochen später trifft auch Tibors älterer Bruder Shlomo, der von der Familie in Strasshof getrennt worden ist, in Budapest ein. Er wurde am 5. Mai 1945 von den Amerikanern aus dem KZ Mauthausen befreit. Beider Vater heiratet in Ungarn ein zweites Mal. 1950 wandert Tibor Yaakow nach Israel aus und nimmt seinen kaum 4 Jahre alten Stiefbruder, ein Kind aus der zweiten Ehe des Vaters, mit sich und behütet ihn wohl. Er erlernt das Schlosserhandwerk und lebt in Bnei Brak. Wegen seiner Fußsohlen muss er sich mehreren Operationen unterziehen. Nach einiger Zeit gelingt es ihm, seinen Vater und seine Stiefmutter nach Israel nachzuholen.

E PILOG
    Am 10. Mai 1945 besetzt eine Einheit der Roten Armee Persenbeug. Dabei wird der dortige Gendarmerieposten geplündert, und es verschwindet unter anderem das vom Persenbeuger Volkssturm sichergestellte und der Gendarmerie ausgefolgte Schmuckstück der ermordeten Paula Precz-Weisz.
    Am 6. August 1945 erstattet Revierinspektor Franz Winkler mit einer fast dreieinhalbseitigen, überaus detaillierten und faktenreichen Schilderung des Tatgeschehens, der er die Durchschläge der Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen beilegt, beim Bezirksgericht Ybbs an der Donau wegen der Judenmorde in Hofamt Priel namens des Gendarmeriepostens Persenbeug Anzeige gegen die flüchtigen, unbekannten Täter. Bereits im Mai 1945 brachte er eine gleich lautende Anzeige mit den beigeschlossenen Originalen der Zeugenaussagen beim Bezirksgericht Persenbeug ein, die aber in den Wirren des Kriegsendes verloren ging.
    Aus bis heute unerfindlichen Gründen vernebelt und verwischt Revierinspektor Karl Hochstöger von der Erhebungsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich in einem Bericht an die Staatsanwaltschaft beim Volksgericht Wien vom 6. Oktober 1945 die Spuren zu den Tätern, auf die Revierinspektor Franz Winkler bereits in seiner umfassenden Anzeige an das Bezirksgericht Ybbs an der Donau ganz konkrete Hinweise gegeben hat. Laut dem erstermittelnden, stellvertretenden Kommandanten des Gendarmeriepostens Persenbeug kamen
die beiden Autos, die die SS-Männer zur Ermordung der Juden nach Persenbeug brachten, aus der Richtung Ysper, Altenmarkt über die

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