2231 - Der Klang des Lebens
liebsten zugepackt und ihre Schwester erwürgt. Zum Glück wurde die nervöse Stimmung in diesem Moment durchbrochen.
„Nun, zunächst einmal sieht das Unglück dank des Orkewetters so wenig wie wir, wir haben also gute Chancen", verkündete Zephyda, die soeben den Raum betrat, begleitet von Selboo, dem Todbringer.
Bjazia keuchte. „Der To... der Toto... der..."
Als sie die ernsten Blicke der anderen bemerkte, verstummte sie verschämt. Sie mochte ja Schatten sehen, wo es keine gab, doch wie alle anderen war sie bei dem Strafgericht gewesen und hatte wie alle anderen abgestimmt. Und wie alle anderen würde sie auch versuchen, die dunklen Mythen um die Todbringer zu vergessen, und Selboo seinen Platz in ihrem Kreis und ihrem Herzen gewähren.
Wenngleich Selboo als Einziger im Sessel des Kanoniers Platz nehmen musste, so waren doch sie alle von ihrer Verantwortlichkeit her Todbringer. Diese Last war für einen Motana allein zu schwer zu tragen, auch für einen so düsteren und der Gewalt offenbar zugeneigten Mann wie Selboo.
„Verzeih mir!", flüsterte sie verschämt. Ihre Lider flatterten.
Zu ihrem Erstaunen lächelte Selboo sie zaghaft an, für einen Moment bekam sein düsteres Gesicht einen Anflug von Würde und Erhabenheit, als läutere das Leid, das ihn so lange zerfressen hatte, nun seinen Geist. „Es gibt nichts zu verzeihen. Wir alle sind hier, um gemeinsam und voneinander zu lernen."
Mit gemessenen Bewegungen nahm der Todbringer im äußeren Sitzkreis Platz. Während des Fluges würde er als Ersatz-Quelle dienen, sollte eine von ihnen ausfallen.
Es war unüblich, dass ein Todbringer sich bei einer Erkundungsmission nicht in unmittelbarer Nähe seiner Station aufhielt, das hatte Echophage ihnen bereits gesagt. Doch derzeit ging es nicht anders: Die SCHWERT musste mit einer Mindestbesatzung von Tom Karthay starten.
Fünf Motana blieben in der Feste von Roedergorm als Ausbilder zurück: die zweite Epha-Motana, Aicha, sowie die vier Quellen Gorlin, ihr Zwillingsbruder, Gezil und Juddya. Es war nicht ungefährlich, nur mit einer einzigen Epha-Motana zu fliegen – fiel sie aus, würde sich die SCHWERT nicht mehr fortbewegen können –, aber niemand war besser dazu geeignet, aus Motana Raumfahrer zu machen als Aicha.
Wenn sie auf Harn Erelca nun tatsächlich die sechzig Bionischen Kreuzer fanden, brauchten sie Raumfahrer, Epha-Motana wie auch Quellen, um diese bemannen zu können. Da war es eine vordringliche Aufgabe, solche in möglichst kurzer Zeit heranzuziehen, und hierfür brauchte man bereits erfahrene Quellen – wobei auch deren Erfahrungen noch immer sehr begrenzt waren. Wie lange war es her, dass sie zum ersten Mal tatsächlich geflogen waren? Nur ein paar Wochen. Noch viel gab es zu lernen, doch die Zeit drängte.
Wenn die Kybb-Cranar erst wieder gelernt hatten, ihre mächtige Technik einzusetzen, war die Schonfrist verstrichen, und es ging ums blanke Überleben. Alle Motana an Bord waren sich einig gewesen, dass so viele von ihnen wie nur irgend möglich auf Tom Karthay bleiben mussten, weil sie dort im Augenblick dringender gebraucht wurden als auf der SCHWERT. Sofern alles glatt lief.
Mit genau elf freien Quellen und zwei, die bereits anderweitige Funktionen übernahmen – Epasarr als Echophages Beistand und Selboo als Todbringer der SCHWERT –, war der Bionische Kreuzer ausgesprochen knapp besetzt: Nur eine weniger, und ... sie hatten Probleme, gegen die sich Bjazias Unkereien und Mavrips Träume wie ein Wipfelspaziergang im Wald von Pardahn ausnehmen würden.
Diese und ähnliche Gedanken beherrschten die elf Quellen, die sich nun bereitmachten, einen Choral anzustimmen und damit die SCHWERT in die Lüfte zu erheben, und jede ging anders damit um. Mavrip dachte positiv, es würde schon gut gehen. Und Bjazia seufzte.
Zephydas Gedanken waren längst an einem anderen Punkt angelangt: Sie beschäftigte vor allem die Frage, was von den uralten Aufzeichnungen der Kommandeurin Trideage zu halten war. Würden sie, wie von Trideage behauptet, die nach Harn Erelca beorderten Bionischen Kreuzer dort vorfinden? Immerhin waren Tausende Jahre vergangen – obwohl die Kreuzer schon nach zwei Jahren nach Tom Karthay hatten zurückkehren sollen. Vielleicht waren sie von den Kybb abgeschossen worden und existierten gar nicht mehr. Andererseits konnten sie auch aus irgendwelchen Gründen auf Harn Erelca verblieben sein.
Zephyda zog diese Möglichkeit vor und hoffte, es würden vergleichsweise
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