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224 - Im Turm des Warlords

224 - Im Turm des Warlords

Titel: 224 - Im Turm des Warlords Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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dass die Hydriten ihm »Ei’dons letzten Beistand«, wie sie den Adrenalinschub nannten, nicht gewährt hatten. Vielleicht sparten sie ihn sich für später auf. Es wäre auch zweifelhaft gewesen, gegen diese Übermacht anzukommen.
    »Selbst wenn man es mit eigenen Augen sieht, kann man es kaum glauben, Hetman«, sagte Wyluda vergnügt. »Da suchen wir nun mein ganzes Reich nach ihm ab, und er kommt freiwillig in mein Haus spaziert!«
    Yann spuckte auf den Boden. »Erwartet nicht zu viel«, fauchte er. »Ich rühre keine Hand für euch! Lieber krepiere ich auf der Streckbank!«
    »Streckbank?« Wyluda schnaubte. »Deserteure erhalten eine Sonderbehandlung! Und damit sie etwas davon haben, dauert sie zwölf Monate…«
    Yann spuckte erneut aus. Diesmal in Wyludas Gesicht. Vermutlich ging er davon aus, dass er sich eine zwölfmonatige Folter ersparen konnte, wenn er sein Gegenüber so in Rage versetzte, dass er ihn auf der Stelle tötete.
    Irrtum. Wyluda packte nur Yanns Arm und fauchte: »Es wird dir nicht gelingen, mich zu provozieren!« Er lachte höhnisch. »Mit dir habe ich ganz besondere Pläne, Quacksalber. Du wirst…«, – er schüttelt sich kurz –, »mit Maddrax fliegen und unsere Bomben eigenhändig auf die Rebellen abwerfen!« Er fuhr herum. »Und ihr« – er deutet auf Lulungu und Aruula –, »kommt ebenfalls mit! Ihr anderen bringt die Bomben an Bord! Zwei Mann bleiben hier, um die Ankertaue zu lösen! Die anderen positionieren sich an den Zinnen!«
    Seine Befehle waren so hirnrissig, dass ich mir einbildete, Lulungus Kinnlade auf den Steinboden aufschlagen zu hören. Auch der Leibwächter setzte eine irritierte Miene auf.
    Ich selbst verstand das mysteriöse Verhalten des Warlords erst in dem Moment, als wir einstiegen und er mir von der Seite her fast fröhlich zuzwinkerte.
    Jetzt endlich bei mir der Groschen: Einer unserer körperlosen Begleiter – Gilam’esh oder Nefertari – hatte die Gelegenheit genutzt, als Wyluda Yanns Arm packte! Er oder sie war auf den Warlord übergewechselt und hatte sein Bewusstsein ausgeschaltet. Darum also hatten sie darauf verzichtet, aus Yann einen Berserker zu machen!
    Lulungu und die anderen Krieger – an einsame Beschlüsse ihrer Obersten Heeresleitung gewöhnt – ahnten nichts. Sie brachten die Molotow-Cocktails an Bord und wichen zurück.
    Ich übernahm die Steuerung. Die Krieger lösten die Ankertaue. Die Roziere stieg wie in Zeitlupe auf. Yann, der an der noch offenen Luke stand, packte Wyludas Arm, schaute ihn an und fragte: »Jetzt?«
    »Ja, jetzt«, erwiderte Wyluda.
    Yann versetzte ihm einen Haken und warf ihn mit einem Freudenschrei über die Reling.
    Die Krieger auf dem Turm brüllten vor Entsetzen, als ihr Herr aus drei Metern Höhe auf die Steinplatten des Turmdachs krachte.
    Hetman Lulungu, dessen grenzenlose Verblüffung sich in seiner Miene zeigte, fehlte die Zeit, um die Klinge zu heben: Aruula nutzte die Gelegenheit und platzierte die Spitze ihres rechten Stiefels mit großem Schwung in seinem Schritt. Lulungu wurde aschgrau, verdrehte die Augen, und eine gnädige Ohnmacht ließ ihn zu Boden sacken.
    »Volle Fahrt voraus!«, rief Yann und stürzte an die Dampfventile, um mir zu assistieren. Er war nun wieder er selbst, obwohl ich keinen Zweifel hatte, dass Gilam’eshs Geist in ihn zurückgekehrt war.
    Ich machte »Bleifuß«. Ein Ruck ging durch die Roziere.
    Wir rissen die Burschen, die angesichts ihres vom Himmel fallenden Herrschers vergaßen, die Ankertaue loszulassen, fast über die Zinnen. Dann fuhren wir über den Turmrand hinweg.
    Ein animalisches Brüllen verfolgte uns, aber damit hatte es sich auch schon.
    ***
    Es tagte. Es war ein erhebendes Gefühl, dem Bösen an sich eine Lektion erteilt zu haben. Ah, wie süß schmeckte die Freiheit!
    Der Turm des Warlords und das ihn belagernde Heer blieben hinter uns zurück. Wie immer war Gilam’esh auch diesmal seinen Grundsätzen treu geblieben: Weder Wyluda, noch Lulungu waren zu Tode gekommen, und mit dem Hetman an Bord hatten die Wächter auch nicht gewagt, ihre Bolzen und Speeren auf uns abzuschießen.
    Wir folgten dem immer heller werdenden Blau des madagassischen Himmels und interessierten uns einen Taratzendreck dafür, was nun aus Wyluda wurde. Von mir aus konnte Maometh ihn grillen oder zu Schaschlik verarbeiten.
    Wir wollten jetzt nur noch Keetje retten und dann so schnell wie möglich den Marianengraben erreichen: erstens, um Yanns Tumor ein- für allemal zu atomisieren, und

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