224 - Im Turm des Warlords
zweitens, um es den beiden Hydritengeistern zu ermöglichen, sich Klonkörper zu schaffen und endlich aus ihm »auszuziehen«, um wieder unter ihresgleichen leben zu können.
Ich war schon über alle Maßen gespannt auf das prachtvolle Gilam’esh’gad, das Nefertari uns in den leuchtendsten Farben schilderte: ein Treffpunkt für die fähigsten Köpfe der Hydriten und ein Ort der Freude und des pulsierenden Lebens. Ob ich von dort aus auch Kontakt zu meinem alten Freund Quart’ol aufnehmen konnte? Ich hatte Ewigkeiten nichts mehr von ihm gehört.
Das einzige Problem war jetzt nur noch, Hetman Lulungu zu entlocken, wo er Keetje versteckt hatte. Aber dafür gab es geeignete – und sogar gewaltfreie – Mittel.
Er und der Große Wyluda hatten uns schamlos ausgenutzt. Jetzt wollte ich sehen, wie Lulungu reagierte, wenn er in fünfhundert Metern Höhe mit dem Kopf nach unten aus der Bodenluke baumelte.
Ich übergab Yann das Steuer und nahm mich des Besinnungslosen an. Ich öffnete die Bodenluke und zog ihn bis zu den Schultern über die Öffnung. So hatte ich ihn weiterhin unter Kontrolle, ohne befürchten zu müssen, dass er den Abflug machte. Damit wir nicht zu lange warten mussten, entleerte ich eine Wasserflasche über seinem Haupt.
Lulungu hatte die Augen kaum geöffnet, als er auch schon des großen Nichts unter seinem Kopf gewahr wurde und zu schreien begann. Das hatte ich besonders gern: Sich erst wie ein Schwein aufführen und dann wie ein Ferkel quieken, wenn das Blatt sich wendet.
»Was hast du gegen ein bisschen Frischluft?«, fragte ich ihn. »Sie wird dir die Gedankengänge frei pusten für die Fragen, die ich dir jetzt stellen werde.« Er sah mich hasserfüllt an. Ich hätte erwartet, wenigstens ein bisschen Panik in seinem Blick zu erkennen, aber da war nichts. Trotzdem begann ich mit meiner Befragung. »Du hast zwanzig Sekunden Zeit, mir zu sagen, wo wir Keetje finden! Falls es dir nicht einfällt, wirst du eine Reise machen…« Ich deutete mit dem Daumen nach unten.
Die Drohung – die ich natürlich nicht umsetzen würde, aber das konnte er ja nicht wissen –, verfehlte ihre Wirkung. Er keuchte nur und stieß dann abfällig hervor: »Ich sage kein Wort! Ich habe einen heiligen Eid auf meinen Warlord abgelegt! Lieber sterbe ich!«
»Das wollen wir doch mal sehen!« Ich rief Aruula zur Hilfe, damit sie Lulungus Beine packen und halten sollte, während ich ihn noch ein weiteres Stück über den Abgrund ziehen wollte.
Doch der Gefangene schien selbstmörderisch veranlagt zu sein, denn als sich Aruula bückte, trat er aus und erwischte sie mit dem Stiefel an der Nase. Blut schoss daraus hervor. Aruula verlor das Gleichgewicht wankte benommen. Da ich befürchten musste, dass sie über Bord ging, ließ ich Lulungu los und versetzte Aruula einen Stoß, weg von der offenen Luke.
Dazu musste ich mich halb von dem Hetman erheben.
Er nutzte seine Chance eiskalt aus, zog seine Knie an und rammte sie mir in die Hüfte. Ein scharfer Schmerz schoss mir den Körper hinauf, und ich kippte noch ein wenig mehr zur Seite.
Als Lulungu nachsetzte und mich mit dem gestreckten Bein traf, rutschte er mit den Schultern über den Rand der Luke – und ehe ich einen klaren Gedanken fassen konnte, war er fort. Vom Gondelboden verschwunden.
Ich schaute schreckensstarr in die Tiefe.
Und da war er: eine wie irrsinnig mit den Armen und Beinen rudernde Gestalt, die sich rasend schnell einer Landschaft näherte, in der Tausende von Felsnadeln in die Höhe ragten.
»Er muss verrückt geworden sein!«, keuchte Aruula. Sie stand neben mir und hielt das aus ihrer Nase strömende Blut mit einem Tuch auf.
»Eins muss man ihm lassen: Er war loyal bis in den Tod. Zu dumm nur, dass er uns jetzt nicht mehr Keetjes Aufenthaltsort verraten kann.« Da ich nicht wild darauf war, den roten Fleck zu sehen, den Hetman Lulungu gleich in die Landschaft malen würde, schloss ich die Luke.
Yann sah uns missfallend an, als wir nach vorne gingen und ich das Ruder von ihm übernahm.
»Das wäre nicht nötig gewesen«, sagte er. »Wir hätten in Erfahrung bringen können, was aus eurer Freundin geworden ist.« Was ich sehr eigenartig fand, da Keetje doch seine, Freundin war. Dann erst begriff ich: Nicht er sprach mit uns, sondern einer seiner beiden »Insassen«.
Auch Aruula hatte es bemerkt. »Warum habt ihr dieses Wissen nicht seinem Herrn entlockt, als er in eurer Gewalt war?«, fragte sie und tupfte sich die Nase. Sie hatte aufgehört
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