2244 - Bürgergarde Terrania
wie es nun wieder war. Es war eigentlich nicht so, dass sie eines gefütterten Mantels bedurft hätte, dazu war es in Terrania eigentlich zu warm. Doch kalendarisch ging es auf den Frühling zu, und früher hatte man solche Kleidungsstücke um diese Jahreszeit getragen.
Die Wärme des Mantels stand für Alisha sinnbildlich für die Wärme des Einsseins mit ihrem Gott und natürlich die Wärme ihres Partners. Ihre Liebe war nicht mehr nur körperlich wie in den ersten Tagen.
Sie hatte eine andere, viel bessere Qualität erreicht, eine spirituelle. Sie lebten nur noch für ihren Glauben -und in ihm. „Jehad?"", rief die schlanke, fast dürre Jüngerin mit den braunen Augen und dem dunklen Teint. Die Tür zu ihrem Wohnzimmer, das sie zur Hälfte in einen Arbeitsraum umfunktioniert hatten, war nur angelehnt.
Alisha bekam keine Antwort. Sie strich sich durch das kurz geschnittene, pechschwarze Haar und nahm die Tasche. Noch einmal rief sie nach ihm. Er reagierte nicht.
Aber auch das beunruhigte die Jüngerin an diesem Morgen keineswegs. Sicher ist er in Meditation versunken, dachte sie, oder in das Buch Gon vertieft. Dass er bereits fort war, wieder im Tempel der Degression, wo eigentlich sein Platz war, konnte sie sich nicht vorstellen. Seine Besuche, jede Stunde bei ihr waren zu kostbar, um ohne Abschied zu gehen. Außerdem hatte er sich Arbeit mitgebracht.
Jehad war ihr spiritueller Halt, war mehr als ein normaler Jünger des Gottes. Jehad war einer der vierzehn Adjunkten des Carlosch Imberlock, des Mediums, Verkünders und Predigers Gon-Orbhons.
Des Heiligen Mannes, dessen Ruf sie aus dem fernen Mallorca gefolgt war. Sie hatte alles hinter sich gelassen - ihre Familie, das Paradies, in dem sie gelebt hatte, und ihren Beruf als Journalistin. Diesem Beruf, in dem sie aufgegangen war und den sie geliebt hatte, hatte sie es im Grunde zu verdanken, dass sie heute hier war und Gon-Orbhon dienen durfte. Zuerst war es nur die Neugier der Reporterin gewesen, die sie nach Terrania geführt hatte, die Verlockung einer großen Story über den Mann, der längst zu einer Legende geworden war. Doch dann hatte sie ihn erlebt, bei einer seiner öffentlichen Predigten - und sie war berührt worden. Von da an war alles anders. Sie wusste nun, dass ihr Leben erst jetzt einen Sinn bekommen hatte. Einen wunderbaren, alles erfüllenden Sinn ... „Jehad?" Sie öffnete die Wohnzimmertür mit einem Lächeln. Jehad saß vor einem Bildschirm, über den mit atemberaubender Schnelligkeit Zahlenkolonnen und Texte flössen. Er drehte ihr den Rücken zu. Es war völlig still im Raum. Natürlich, sie sah, dass er in Arbeit vertieft war - aber er hätte sie hören müssen. Warum hatte er also nicht geantwortet? „Jehad?", sagte sie noch einmal, diesmal mit gedämpfter Stimme. Vielleicht durfte sie ihn ja nicht stören. Vielleicht war er so sehr in seine Konzentration versunken, dass die Welt um ihn herum und diese Daten, die er da studierte, im Moment überhaupt nicht existierten.
Sie redete es sich ein, aber leises Unbehagen beschlich sie. Etwas von der Leichtigkeit, in der sie schwebte, verlor sich. Jehad war nicht taub!
Und seine kurzen hellblonden Haare leuchteten im Widerschein des Bildschirms keinesfalls ... blau!
Alishas Lächeln erstarb. Die Unsicherheit in ihr wich blankem Entsetzen, als der Drehsessel vor dem Bildschirm herumgedreht wurde. Rasch wandte sie den Blick ab von der Gestalt mit den hellblauen, kurzen Haaren, die sie nicht kannte und die zurückgelehnt da saß, wo eigentlich Jehad sitzen musste.
Nur für einen kurzen Moment, dachte sie, dann ist Jehad wieder da.
Und sie hatte Recht.
Jehad war da.
Ihr Blick verriet es ihr, dieser rasche, scheue Blick, für den sie sich noch im gleichen Moment verfluchte. Das konnte nicht wahr sein - mit brennenden Augen starrte sie wieder auf den Sessel.
Alisha spürte einen Kloß im Hals, als ihr Blick ruhig, beinahe gelassen und heiter, erwidert wurde. Das Feuer in ihren Augen erlosch, und die Einkaufstasche entglitt ihren plötzlich kraftlos gewordenen Händen. Instinktiv folgte sie dem Blick der Fremden. In der nächsten Sekunde griff das nackte Grauen nach ihrer Seele. „Nein!" Sie würgte das Wort hervor dieses eine Wort, in dem ihre ganze Verzweiflung lag, die jähe Erkenntnis, der tödliche Schrecken. „Es tut mir Leid", hörte sie die Stimme der Unbekannten, aber es klang nicht so. „Er war leider unvernünftig, verstehst du?"
Nichts verstand sie, gar nichts. Es gab
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