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2246 - Kavuron der Spieler

Titel: 2246 - Kavuron der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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überwinden. Währenddessen sang es, tonlos, indische Ragas, gregorianische Choräle und siganesische Triumphmärsche, bis es endlich zur Ruhe gekommen war und seine Beherrschung wiedererlangt hatte.
    Dann aktivierte es eines der mitgenommenen Programm-Konstrukte. Mit dessen Hilfe vermochte das Specter sich in der neuen Umgebung zu orientieren.
    Immer noch wären die meisten seiner Sinne wie taub. Den vergleichsweise wenigen Impulsen aber, die es empfing, wohnte eine schmerzhafte Simplizität inne, eine brüllende Plumpheit, eine grauenhaft unästhetische, himmelschreiend unnötige Intensität, die noch weit schlimmer war als alle Befürchtungen.
    Heiliger Heraklit, heiliger Leonardo, heiliger Wolfgang Amade - muss denn die Welt so dumm, hässlich und unharmonisch beschaffen sein?
    Am liebsten wäre das Specter sofort umgekehrt. Auch wenn es weder Magen noch sonstige Verdauungsapparate mehr besaß - ihm wurde speiübel. Wer immer die Verantwortung dafür trug, wie sich der Hayoksche Cyberspace dem kundigen, von keinem Interpreter getäuschten Auge darbot - wenn es eine kosmische Gerechtigkeit gab, würde er irgendwann dafür büßen.
    Generell war das Ganze recht zweckmäßig gestaltet, keine Frage. Das Netz wurde als schematisches Abbild des Planeten dargestellt, mit Ausläufern zu den übrigen Stützpunkten im Archipel. Die räumlichen Verhältnisse entsprachen ungefähr denen der Außenwelt, was Sinn ergab, wollte man sich schnell zurechtfinden. Beispielsweise bildeten die Zugangsknoten von Terranischer Botschaft, Raumhafen-Zentral Verwaltung und Tato-Palast ein ähnliches Dreieck wie die zugehörigen Gebäude in der physischen Welt.
    Aber die Details!
    Die Datenleitungen, Gabelungen und Kreuzungen: so derb überzeichnet, so hanebüchen verwackelt, so knüppeldick unausgereift! Dabei so protzig blasiert ausgestaltet, so prahlerisch selbstherrlich, so dünkelhaft großspurig, eitel wichtigtuerisch, impertinent unbescheiden ... Das Specter hätte eine Vielzahl weiterer Synonyme aufzählen und dennoch seinen Abscheu nicht in Worte fassen können.
    Noch viel schockierender jedoch war: Zugleich erschien ihm manches an dem knorpeligen Gespinst, das an ein abstruses, durch Verkalkungen, Karzinome und Metastasen pervertiertes Nervensystem gemahnte, merkwürdig vertraut. Gleichsam familiär. Wie unglaublich das auch klang - dem Specter kamen dieser Stil, diese Handschrift, dieses manierierte, hochtrabende, theatralische Gepräge bekannt vor.
    Kann es sein? Ist's möglich, dass ...? Nein. Spex (wie Gucky, der alte Schelm, seinen Namen keck abgekürzt hatte) ermahnte sich, diese Spekulationen hintanzustellen. Das brachte nichts, war im Gegenteil gefährlich, da irritierend.
    Seinen Widerwillen überwindend, fädelte sich das Specter in den Datenstrom ein, der zum Palast des Tatos führte.
    Es vergewisserte sich mehr als einmal, dass es den für niemanden sonst wahrnehmbaren Faden hinter sich herzog, der es mit seinem Seelenanker in KHASURN verband. Über die unendlich dünne, unendlich elastische „Nabelschnur" wurden ihm Lebensenergie, Willenskraft und Selbst-Bewusstsein zugeführt. Seine Identität hing damit zusammen, hing davon ab, hing buchstäblich daran. Dieser Faden durfte auf gar keinen Fall reißen oder durchtrennt werden.
    Bedachtsam, zögerlich, übervorsichtig umkreiste Spex, von Verzweigung zu Verzweigung wechselnd, das Palast-Symbol. .
    Dieses erschien mindestens ebenso ungeschlachtvermessen wie sein Kontext: ein obszön ausschweifender Trichter auf vier silohaft festen Röhren, grell leuchtend, aus dem Fanfaren schlugen wie akustische Blitze, wie kakophonische Speerspitzen. Dazu kamen stakkatoartige Salven von Trommel-Batterien, ratternd, schneidend, ohrenbetäubend und ebenso grässlich in sich verstimmt wie der darunter wabernde, kläglich wummernde Orgelpunkt.
    Igitt! Will ich allen Ernstes da hinein? Nein.
    Pech gehabt: Ich muss. Zahlreiche Datenstränge mündeten am Fuß der prallen, wurstförmigen Säulen, die den gleißenden, dröhnenden Trichterkelch trugen.
    Das Specter setzte ein weiteres der Konstrukte ein, die es in den sieben Jahren - oder vierzehn Minuten - der Vorbereitungszeit angefertigt hatte. Das Programm sandte einen Schwärm elektrisch summender Bienen aus, je eine pro Zugang.
    Keine davon erreichte ihr Ziel. Alle wurden kurz vor der Schnittstelle von unsichtbarer Hand abgefangen, festgehalten und zerquetscht.
    Als unberechtigt eingestuft und gelöscht. Na ja. Wäre auch zu schön

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