2250 - Zeuge der Zeit
in derselben Sekunde Lyressea.
Die Motana glotzte auf die Schildwache in ihrem Kleid wie auf eine Erscheinung. „Wettervorhersage!", meldete Echophage. „In voraussichtlich drei Minuten bildet das Sturmsystem rings um Kimte einen Windstillstand aus, der lokal begrenzt acht Minuten dauern wird!"
Rhodan und Lyressea warteten die drei Minuten unten in der SCHWERT, dann klappte die Rampe herunter und gab den Blick nach draußen frei.
Von einem Moment zum nächsten - so als werde ein gigantischer Vorhang weggezogen - wich das Zwielicht dem Leuchten der Sonne. Staub tanzte noch für Sekunden in der Luft, doch die Schwaden hatten keinen Antrieb mehr.
Sie traten schnell über die Rampe nach draußen.
Kimte, die größte Stadt des Planeten Tom Karthay, zeichnete sich durch die Schwaden ab; ein buckliger riesiger Hügel, hässlich wie ein zu drei Vierteln verrotteter Haufen Kompost. Den äußeren Ring bildeten die Kantblätter, eine Art pflanzliche Panzerschilde.
Milliarden Fanghärchen fingen Nährstoffe ein, die in Orkewetter und Flautwind durch die Luft gewirbelt wurden. Entlang der Stadtgrenze bewegten sich Motana, manche schwer bepackt, andere in großer Eile; alle von einer dicken Staubschicht bedeckt. „Wie sieht es drinnen aus?", fragte Lyressea ihn. „Lass dich überraschen!"
„Ich schätze Überraschungen nicht."
Sie schritten eilig aus. Acht Minuten reichten gerade, von der SCHWERT zur Stadt zu kommen.
Die WILDWASSER nutzte die Gelegenheit zum Start. Der Bionische Kreuzer hob vom Boden ab, zuerst unsicher, dann mit steigender Geschwindigkeit, und hielt auf die orangefarbene Sonne Tom zu.
Rhodan kniff die Augen zusammen; hoch am Himmel glitzerten zwei weitere Punkte, Bionische Kreuzer auf Landekurs. Wenn alles plangemäß verlief, brachten sie weitere Majestäten für Zephydas Konvent.
Er blickte auf seine Uhr und schritt schneller aus.
Sie schafften es nicht ganz. Kurz vor einer Art Tunnel, der durch die Panzerblätter brach, überrollte sie das Orkewetter.
Rhodan fasste Lyresseas Hand. „Da vom ist das Tor!", schrie er gegen den Sturm.
Der Steg, der sie ins Innere führte, bestand aus lebendem Holz. Jeder Zentimeter, selbst die heckenartigen Wände, war von nährstoffhaltigem Staub überkrustet. „Diese ganze Stadt", erklärte Rhodan, „wurde aus einem einzigen Baum gezüchtet. Sein Holz bildet die Etagen, die Wege und das Fundament. Die Motana haben die Stadt immer wieder erweitert und aufgestockt. Über Tausende Jahre."
Er blieb stehen und klopfte sich den Staub aus dem Haar.
Lyressea bewegte sich nicht: ihre eisgrauen Augen ohne Ausdruck, der Körper in Momentaufnahme starr - und Rhodan begriff, dass irgendetwas vorgefallen sein musste.
Lyressea legte um Nuancen den Kopf schief.
Dann drehte sie sich, langsam wie eine altertümliche Antenne. Ein voller Umkreis mit schrägem Kopf, dann kehrte das Leben sichtbar in ihre Züge zurück.
Er begriff mit einem Mal, was sie da tat. Lyressea setzte ihre Gabe ein.
Die Schildwachen verfügten über eine ganz spezielle Psi-Fähigkeit, die Niederschwellen-Telepathie. So oder so ähnlich sah es aus, wenn sie konzentriert auf etwas lauschten. „Du hättest es mir vorher sagen sollen, Rhodan", sagte sie schroff. „Was?"
„Dass meine Schwester hier ist."
„Deine Schwester? Du meinst ... die Eherne Schildwache?"
„So wurde sie früher genannt. Catiaane. Ich wusste, dass sie irgendwo auf diesem Planeten steckt. Aber ich ahnte nicht, dass es Kimte ist."
Schildwachen konnten keine Gedanken lesen, das wusste Rhodan, doch sie vermochten Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Die Fähigkeit versetzte sie außerdem in die Lage, sich gegenseitig auf große Entfernungen zu orten. So, wie Lyressea es eben vorgemacht hatte. „Ich hätte es noch früh genug erwähnt", bekundete er. „Es gibt Anzeichen, dass ein Schildwachen-Asyl irgendwo in Kimte versteckt ist. Aber die Motana haben es nie gefunden, seit sie hier siedeln. Wir wissen deswegen nicht genau, was mit deiner Schwester ist. Eigentlich haben wir gehofft, du könntest uns in der Sache weiterhelfen."
Lyressea lachte plötzlich. Der Ton klang nicht freudig, sondern finster. „Wenn wir sie gefunden haben, kannst du sie dann aufwecken?"
„Selbstverständlich, ich bin ihre Schwester. Das Problem ist nur ... Catiaane ist ganz nahe, in gewisser Weise, so als müsste ich bloß die Hand ausstrecken. Und trotzdem kann ich nicht bestimmen, wo genau."
„Das scheint dich zu überraschen."
„Mehr noch,
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