2257 - Der Mikrodieb
terranischen Gerichte sind vielleicht langsam, aber in so einem Fall noch immer schnell genug. Schneller als Gon-Orbhon."
Bre Tsinga ging nicht auf die Anspielung ein. „Wie ist das Wetter draußen?"
„Es hat geregnet. Spürst du die Feuchtigkeit, die mein Anzug abgibt? Ich bin durch den Regen gelaufen."
Dass das Wasser von einer simplen Berieselungsanlage des schiffseigenen Biotops stammte, verschwieg er ihr. „Das Wasser riecht würzig. Ich mag den Duft der Natur."
„Er ist mehr wert als jede Ideologie, meinst du nicht?"
Wieder gab sie keine Antwort. Bei allem, was nur annähernd mit Gon-Orbhon zu tun hatte, erzeugte ihr Bewusstsein sofort eine Wand. Vielleicht löschte der Einfluss der fremden Wesenheit sogar Informationen in ihrem Gehirn.
Icho Tolot bedauerte, dass sie keine wissenschaftlichen Tests mit Bre Tsinga machen durften. Die Kosmopsychologin hätte sich ziemlich gewundert und wäre misstrauisch geworden. „Es gibt da etwas, das du dennoch wissen solltest", flüsterte der Haluter.
Bre stand noch immer neben der offenen Tür ihrer Zelle. Sie sah zu ihm auf, aber ihr Gesicht blieb ausdruckslos. „Julian Tifflor sucht nach Anhaltspunkten, mit denen er deine Unschuld beweisen kann", fuhr Tolot fort. „Es wäre schön, wenn du ihm ein wenig dabei helfen könntest."
„Ich habe nichts getan, wofür man mich verurteilen könnte."
Ruckartig wandte Bre Tsinga sich um und verschwand in ihrer Zelle. Die Tür glitt zu, der Haluter war mit sich und der Luft allein. Eine Weile verharrte er, dann kehrte er vorsichtig in den Lagerraum zurück.
Am vorderen Ausgang stand noch immer ein Mann vom TLD. Die Waffe in seiner Hand glühte schussbereit. Erst nachdem Tolot die Strukturlücke im Paratron durchquert und sie sich geschlossen hatte, sank die Mündung des Handstrahlers nach unten. „Nichts, wie immer?", fragte der Geheimdienstler. „Nichts. Wie immer, mein Freund."
Icho Tolot machte sich auf den Weg nach unten zur Hauptleitzentrale, um Bully Bericht zu erstatten. Wieder kehrte er ohne Ergebnis zurück. Seine Einschätzung deckte sich mit den Schlussfolgerungen, die die Psychologen und Mediziner aus der ununterbrochenen Überwachung des Containers und seiner Insassin zogen.
Bre Tsinga verhielt sich exakt so, wie sie es auf Terra und während des ganzen bisherigen Fluges getan hatte. Es gab keine Anzeichen eines Kontakts mit Gon-Orbhon, nicht einmal eine Reaktion auf dessen Nähe.
Hingegen hatte der Attentäter im Experimentalschiff RAINBOW Idie Nähe der Sonne gesucht, als könne er dort Gon-Orbhon mental näher sein.
Vielleicht bedeutete es etwas, vielleicht auch nicht.
Icho Tolot überlegte, dass Bully mit seiner Annahme Recht haben könnte. Gon-Orbhon wohnte womöglich nicht in der Großen Magellanschen Wolke. Der Jetstrahl führte lediglich durch sie hindurch.
Dann war die Expedition gescheitert. Einen noch weiteren Flug vermochte derzeit kein Schiff eines raumfahrenden Volkes zu absolvieren
5.
Der Schrank stand noch immer dort, wo Henner ihn zwischenzeitlich abgestellt hatte.
Der Positronikspezialist umschlich das Gerät, als könnte er sich daran die Finger verbrennen.
Ein halbes Dutzend Teile! Und alle sind sie innerhalb der Zentralkugel abhanden gekommen.
Das nährte den Verdacht, der Dieb habe keine Möglichkeit, diesen abgeschotteten Bereich im Zentrum der RICHARD BURTON zu verlassen.
Das flaue Gefühl in meinem Magen, das ich anfangs gehabt hatte - jetzt kehrte es zurück, und es trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. „Drei mikrochirurgische Geräte aus der Medoabteilung Süd", murmelte Tarn. Sie sortierte die Bilder der gestohlenen Gegenstände am Bildschirm. „Ein winziges Vibratormesser siganesischer Fertigung aus der Lagerhalle 8-247. Und zwei weitere Energiekupplungen, die der Dieb aus zwei Getränkeautomaten entwendet hat."
Unserer Phantasie waren bei dieser Produktpalette keine Grenzen gesetzt. „Die Kupplungen deuten darauf hin, dass er Energiespeicher mit Endgeräten verbinden will", sagte Jenna. „Das Siga-Messer und die mikrochirurgischen Geräte sind alle nicht größer als ein paar Zentimeter. Damit schnippelt man an einem Menschen ziemlich lange herum."
„Die Energiespeicher weisen darauf hin, dass der Vorgang automatisiert werden soll", vermutete Henner.
Ich fuhr aus meinem Grübeln auf. „Eine Killermaschine, das ist es! Jemand bastelt sich eine Maschine zusammen, die einen Insassen dieses Schiffes töten soll. Und zwar möglichst leise
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