2267 - Ich, Gon-Orbhon
destabilisiert? Siegesgewissheit? Oder... Resignation?
Nach der letzten Kosmologie-Stunde, von der ich, wenn ich ehrlich bin, nicht viel mitbekommen habe, begab ich mich zum Messingenieur. Die multidimensionalen Datenschleier und die himmlischen Harmonien im Halbstock jagten mir schon lange keinen Schrecken mehr ein. Doch der Zustand des achtbeinigen Weisen erschütterte mich bis ins Mark.
Von den 144 Mitgliedern des Lehrkörpers - wozu ich auch Nick, Emili und sogar Schlacke zählte - war der Messingenieur der Einzige, den ich nicht bloß als Wissensvermittler schätzte, sondern zu dem ich eine tiefe persönliche Beziehung aufgebaut hatte. Ihn betrachtete ich als meinen eigentlichen Mentor. Uns verband weit mehr als das gemeinsame hehre Ziel.
Umso entsetzter war ich über die Veränderung, die ihm widerfahren war.
So, wie ich ihn nach der Rückkehr von meiner Exkursion antraf, hatte ich den Messingenieur noch nie erlebt.
Aller Optimismus, aller Lebensmut war von ihm abgefallen.
Der Arachnoide hatte immer so kernig gewirkt, so dynamisch, voller Wissenslust und Forscherdrang. Nun hockte er apathisch da, verzagt, in sich zusammengesackt, als wäre ihm die Vitalenergie ausgesaugt worden.
Kraftlos hingen seine Gliedmaßen herab; die vier ehedem so gewitzt funkelnden Augen stierten stumpf ins Leere.
Ich brauchte geraume Zeit, um mich von dem Schock zu erholen, den mir sein niederschmetternder Anblick versetzt hatte. „Was ist los?", flüsterte ich. „Was stimmt nicht mit dir, mit der Kosmität, mit... mir?"
Der Messingenieur rührte sich nicht. Die Musik im Hintergrund, die mich früher so ergriffen hatte, klang mit einem Mal wie ödes, todlangweiliges Gedudel. Das den Halbstock erfüllende Medium war zäh geworden, kaum mehr atembar; als wollte mir der Raum zu verstehen geben, dass ich hier nicht länger erwünscht war. „Ich dachte, auf dem Planeten der Primaten wäre jenes Ereignis eingetreten, das ihr so brennend herbeigesehnt habt", würgte ich unter großer Anstrengung hervor. „Aber ich habe mich geirrt, nicht wahr?"
Keine Reaktion. „Nach wie vor fehlt etwas. Etwas Entscheidendes. Ich erfülle die Anforderungen nicht, die an den Kommandanten eines Sporenschiffs gestellt werden."
Der Messingenieur gab kein Zeichen des Widerspruchs von sich. „Das Wissen, das ich mir angeeignet, die Fertigkeiten, die ich erworben habe, inklusive meiner parapsychischen Begabung - das alles ist nicht genug. Es wird nicht ausreichen, um in der Finalen Prüfung zu bestehen."
Die Stimme drohte mir zu versagen. Indem ich die Wahrheit aussprach, realisierte ich erst den vollen Umfang der Tragödie.
Meine Ausbildung, in die so ungeheuer viel investiert worden war, würde in einem Fehlschlag münden. All der immense Aufwand hatte sich als vergeblich erwiesen. Ich, Gon-Orbhon, war ein Versager.
Unbestimmte Zeit verstrich, bis ich wieder genug Kraft gesammelt hatte, um weiterreden zu können. „In Anbetracht der voraussichtlichen Blamage werdet ihr mich gar nicht erst zur Finalen Prüfung antreten lassen", mutmaßte ich.
Diesmal hob der Messingenieur müde die Mandibeln um wenige Millimeter. „Nein? Ihr werdet mich dennoch hinschicken? Obwohl ich durchfallen werde?"
Kein Einspruch. „Weil ihr gar nicht mehr zurückkönnt? Weil die Kosmokraten darauf bestehen, dass ihnen sämtliche angemeldeten Kandidaten zum vereinbarten Termin übergeben werden?"
Kein Einspruch.
„Die Kosmitäten, deren Zöglinge nicht entsprechen, werden nicht bestraft. Jedoch erhalten sie auch keinen Lohn. Richtig?"
Kein Einspruch. „Was bedeutet, dass ihr bankrott seid. Wie werdet ihr eure Schulden tilgen? Müsst ihr euch in eine Art ...
Frondienst begeben?"
Kein Einspruch. Ich ballte die Hände, biss mir auf die Unterlippe. Das hatten meine Lehrer nicht verdient. Sie hatten allzeit ihr Bestes gegeben. Mein Unvermögen war nicht ihnen anzulasten, sondern ganz allein mir. „Kann es sein, dass Sabotage vorliegt?", fragte ich. „Du hast einmal angedeutet, dass der Wettstreit der Kosmitäten mit allen Mitteln geführt wird, ausgenommen direkte Gewaltanwendung..."
Der Messingenieur sah mich an. In seinem Blick lag eine Qual weit jenseits der Hoffnungslosigkeit. „Entschuldige bitte. Du hast natürlich Recht, derlei Spekulationen sind müßig. Selbst wenn dem so wäre - falls man euch beispielsweise bereits einen schadhaften Rohling geliefert hätte -, brächte das Wissen darum jetzt auch nichts mehr."
Kein Einspruch. Die Atemluft hatte sich
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