2267 - Ich, Gon-Orbhon
Orten zugegen. Eine starke Basis entstand, ein Imperium, in dem Gon-O als Gott und Heilsbringer verehrt wurde.
Gelegentlich flackerte ein Rest-Ego des eigentlichen, ursprünglichen Gon-Orbhon auf. In diesen raren, klaren Momenten erfasste der Schutzherr, zu welchem Moloch der Nocturne und er pervertiert waren. Doch die unselige, wahnsinnige Allianz zog ihn immer wieder rasch in ihren Bann.
Gon-Orbhon flüchtete sich in Träume. In hilflose Wunschvorstellungen, in denen er sich als schlafender, schwertbewehrter Hüne sah, als ein Held, der sich irgendwann befreien würde. Der die geistigen Fesseln zerschlug und zerstörte, was ihn zerstörte.
Aber das war nicht die Realität. Sein Körper schlafwandelte in Begleitung Millitrons durch das bizarre Labyrinth des Nocturnenstocks. Wenn Gon-Orbhon durch seine eigenen Augen blickte, sah er rubinrot funkelnde Quarzwände.
Ein einziges Fenster, eine ultradünne Scheibe aus dunkel getöntem Kristall, erlaubte direkte Sicht auf die Außenwelt.
Vor dem Fenster, im Kratersee, hatten die Kybb-Cranar und Kybb-Traken ihrem Gott zu Ehren ein Gebäude errichtet, das die Bastion-Dependance von Parrakh genannt wurde. Gefertigt aus schrundig wirkendem Metall, durchmaß die Anlage 550 Meter. Das Design entsprach einer Standard-Bauform, die von Kybb jeglicher Volksgruppe häufig verwendet wurde, und erweckte den Gesamteindruck einer schwarzen, stacheligen, bedrohlichen Halbkugel.
Wie bitter: Die traurigen Überreste Gon-Orbhons vegetierten im Traum dahin. Und jene hässliche, igelige, nachtschwarze Burg bildete die ewige Kulisse.
Der Tempel der Degression in Terrania City!, durchfuhr es das Specter. Heilige Scheibenwelt, deshalb haben die Sektenjünger diese Bauform gewählt. Weil der schlafende Gott, der sie versklavt hält, über Jahrtausende hinweg nichts anderes zu Gesicht bekommen hat.
11.
Die drei Besucher Uns war klar, dass der Krieg mit dem Schutzherrenorden demnächst ausbrechen würde. Wir hatten uns gut in Stellung gebracht. Durch die Parrakhon-Wolke streiften gigantische fliegende Werften, in denen eine Flotte von Kriegsschiffen nach der anderen produziert wurde. Wir, Gon-O, kommandierten schon jetzt insgesamt 450.000 Einheiten, die sich zum Sturm auf den Dom Rogan, auf die Schutzherren und deren Stützpunkte vorbereiteten.
Zu meiner Ehrenrettung möchte ich festhalten, dass ich in den seltenen wachen Momenten alles daransetzte, diesem Irrwitz Einhalt zu gebieten. Ich dachte sogar an Selbstmord. Lieber wollte ich meine Existenz beenden, als mich des Todes so vieler Intelligenzwesen schuldig zu machen.
Was konnten diese armen Armeen für die Paranoia, die uns zu unseren Taten aufstachelte?
Aber wir unterbanden alle diesbezüglichen Versuche von mir im Keim. Wir, Gon-O, waren so unendlich lang allein gewesen, dass wir uns, da wir uns endlich gefunden hatten, nicht voneinander lösen mochten.
Lieber ließen wir die Parr-Jäger bauen sowie die Kybb-Titanen bemannen, welche uns, unsere Bastion und unseren Planeten bewachten.
Dennoch beabsichtigten wir, einem offenen, frontalen Kampf aus dem Weg zu gehen. Um die Schutzherren in Jamondi, in ihrem Dom Rogan, mit möglichst geringen Verlusten zu besiegen, suchten wir nach einem Komplizen.
Und wir fanden ihn. Denn einer unserer Gegenspieler besaß eine Schwäche, die sich ausgezeichnet für unsere Zwecke eignete.
Wir luden Tagg Kharzani ein, in unserem Hort zu Gast zu sein. Kharzani mochte seine Qualitäten haben. Auch durfte man von seinem unvorteilhaften Erscheinungsbild - er war spindeldürr, trug ausgesucht geschmacklose Kleidung und sah im Ganzen aus, als sei er der kranken Fantasie eines drogensüchtigen Zeichners entsprungen - nicht auf die inneren Werte schließen. Trotz seiner düsteren Aura hatte er viel Gutes für den Orden von Jamondi bewirkt.
Millitron empfing ihn und seine lächerlich geschützbehangenen Kybb-Soldaten am Ufer des Kratersees und geleitete ihn zu uns in den Stock. Wir hatten aus Satrugars Quarzfleisch einen großzügigen Salon geformt, mit allerlei Prunk, ganz in Kharzanis Stil. „Willkommen", sagten wir, Gon-Orbhons Körper als Medium benutzend.
Misstrauisch drehte er den Kopf, wobei der Kinntentakel schlaff mitschwang. Die obere Hälfte seines hageren Gesichts lag wie üblich im Schatten des breitkrempigen Huts. Misstrauisch kam seine Frage: „Was hast du vor?"
„Wer will Krieg", antworteten wir mit einer Gegenfrage, „wenn er sich seiner größten Angst unblutig entledigen
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