Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

2267 - Ich, Gon-Orbhon

Titel: 2267 - Ich, Gon-Orbhon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Quarzgestein; manche wirkten kalt und porös, andere pulsierten wild, wie im Rhythmus eines rasenden Herzschlags.
    Je weiter ich vordrang, desto deutlicher wurde Satrugars" Agonie. Während einige Regionen hitzig tobten, wobei immer wieder grellweißes Feuer ausbrach, waren zahlreiche andere im Absterben begriffen. An diesen Stellen veränderte sich die Materie, wurde stumpf, faulig weich, schwärend wie eine Wunde, bis sie sich unter psionischen Effekten verflüchtigte.
    Rasches Handeln war geboten. Ich dislozierte mein Bewusstsein in so viele Aktionsquanten wie noch nie. Überall zugleich konnte auch ich nicht eingreifen, dazu war der Quarzberg zu groß, der fremdartige Intellekt zu fraktal aufgebaut.
    Ich spürte jene Gebiete auf, in denen der Verfallsprozess am weitesten fortgeschritten war. Dort setzte ich an.
    Indem ich mein eigenes Psi-Potential mit dem des Nocturnen verflocht, schuf ich allmählich einen Ausgleich zwischen den überhitzten und den erlöschenden Zonen.
    Das mag relativ simpel klingen; tatsächlich war es die Hölle.
    Jedes Zeitgefühl kam mir abhanden. Tage, Wochen brachte ich damit zu, Satrugar vor dem Tod zu bewahren.
    Um meine leiblichen Bedürfnisse brauchte ich keine Sorge zu tragen; Millitron hegte und pflegte mich, dafür war er ja da.
    Doch psychisch brannte ich mehr und mehr aus. Ich verheizte mich buchstäblich zugunsten des Nocturnenstocks. Und ich begann, mich in ihm zu verlieren.
    Ich hätte innehalten und zurückweichen sollen, bevor es zu spät war. Andererseits lohnte die Mühsal; ich erzielte gute Fortschritte.
    Langsam, ganz langsam erholte sich Satrugar. Die materielle Zerstörung, der auch eine geistige entsprach, wurde gestoppt. Kleine, stabile Zellen entstanden; weiteten sich aus; vereinigten sich zu gesundenden Bezirken.
    Heilung setzte ein; am raschesten, wenn ich Quantelungen meines Geistes dauerhaft mit Teilen Satrugars verschmolz. Dann addierten, multiplizierten, potenzierten sich unsere Kräfte.
    Wir litten immer noch sehr unter den Verwüstungen, die durch die Raumschlacht und den Absturz angerichtet worden waren. Aber wir gewannen im wahrsten Wortsinn Boden zurück.
    Langsam, ganz langsam entwickelte sich so etwas wie eine Kommunikation zwischen uns. Wir tauschten uns aus; nicht in Worten, auch nicht in Bildern oder sonstigen Sinneseindrücken. Wir lernten einander kennen, Schritt für Schritt die so verschiedenen Denkweisen verstehen.
    Etwas von dem Nocturnen ging auf mich über. Und viel, sehr viel von mir versickerte in ihm.
    Unsere Beziehung funktionierte besser und besser. An ihrem Sinn zweifelte ich irgendwann nicht mehr. Das Gon-Orbhon-Element tat der wesentlich massiveren Satrugar-Komponente gut.
    Wir befanden, dass wir zusammenbleiben sollten. Wir zwei. Wir eins.
    Der Körper des Schutzherrn irrte weiterhin durch unsere kristallinen Eingeweide. Wir hielten ihn bei guter Kondition, da wir ihn in Zukunft vielleicht noch benötigten. Für seine vitalen Bedürfnisse sorgte in beinahe rührender Weise der robotische Diener. Aus Dankbarkeit widmeten wir später einige unserer Stanzen, insgesamt 44 Bände zu je 11.111 Versen, dem treuen Millitron.
    Ach, die Poesie! Welch Vergnügen sie uns doch bereitete, welche Wonne, welch Labsal!
    Schon kurz nachdem wir uns vollständig erholt hatten, wandten wir uns den holden Künsten zu. Neben den Stanzen verfassten wir epische Dramen in Hunderten verschiedenen Sprachen, mit Millionen von Schauplätzen, Milliarden von Figuren, Trillionen von Dialogen. Wir komponierten galaktische Symphonien, errichteten zwölf dimensionale Bauwerke im Femto-Bereich, erzählten uns Witze, dass der Quarz knirschte ...
    Mir graut, wenn ich daran zurückdenke, so verschwommen die Erinnerung auch ist. Denn aus heutiger Sicht steht zweifelsfrei fest, dass wir - ich, Gon-Orbhon, und Satrugar, der Nocturnenstock der geistigen Umnachtung anheim gefallen waren.
    In meinem früheren Leben, beim ersten Besuch im Halbstock des Messingenieurs, unter dem Eindruck des berückend schönen Datengespinsts, hatte ich eine spontane Erkenntnis gewonnen: wie schmal der Grat ist, der Vernunft von Wahnsinn trennt, und wie mühelos rasch er überschritten werden kann.
    Vielleicht hätte ich anders gehandelt und das viel zu hohe Risiko nicht auf mich genommen, wenn mein Gedächtnis nicht blockiert gewesen wäre. So aber holte mich die Hybris ein, die ich an der Kosmität immer zu vermeiden getrachtet hatte. Meine Anmaßung, ich sei ausreichend befähigt und stark

Weitere Kostenlose Bücher