228 - Crows Schatten
nie!«
»Der Gedanke gefällt mir nicht.« Zaudernd wiegte Louis Stock seinen von goldenen Ohrringen und roten Zöpfen schweren Schädel hin und her. »Sie sind mit ihren Messen und den Neubekehrten beschäftigt und lassen uns in Ruhe, was soll das also?« Jeder wusste, dass der Bürgermeister um seine Geschäfte fürchtete. Die Rev’rends bezogen von ihm den Whisky, mit dem sie schon so manchen haltlosen Bürger gekauft hatten. »Mich stören die frommen Burschen nicht wirklich.«
»Aber mich!« Dirty Buck brauste auf. »Dieser Fucklärm, dieses Fuckgeplärre aus den Fucklautsprechern tagein, tagaus! Das ätzt mir die Nerven aus dem Hirn! Hauen wir den ganzen Fuck weg und jagen die Schwarzröcke in den Potomac!«
Stock und Cross hielten dagegen. Ein Wort gab das andere, und sie stritten eine Zeitlang herum. Als alle Argumente ausgetauscht waren, beantragte Mr. Black offiziell einen Angriff auf die Rev’rends und ihre Gottesstaat-Enklave in etwas mehr als vierundzwanzig Stunden, also im Morgengrauen der folgenden Nacht. Er ließ über seinen Antrag abstimmen und gewann die Abstimmung mit neun Ja-Stimmen und zwei Gegenstimmen.
»Gut«, sagte er danach. »Entwickeln wir also einen Schlachtplan. Ich habe da schon ein paar Ideen.«
***
Nur zwei Stunden später klopfte es in derselben Nacht eine Meile Luftlinie entfernt an der Tür von Rev’rend Sweats Schlafkammer. Er stand auf, um zu öffnen.
Der Erzbischof stand vor der Tür; seine Miene war ernst, sein Blick besorgt. »Bruder Boothcase hat mich geweckt«, sagte er. »Zwei unserer Leute haben die Nacht auf der Stadtmauer verbracht. Sie sagen, der Bocksköpfige schliche an der Mauer entlang. Ich denke, wir sollten klären, ob es sich bei ihm um einen Dämon handelt oder nicht. Gehe also an die Stadtmauer und untersuche den Fall. Ich habe Rev’rend Ripper bereits mit Bruder Boothcase vorausgeschickt. Wenn der Bocksköpfige tatsächlich ein Dämon sein sollte, dann vernichtet ihn.«
Rev’rend Sweat schlüpfte in seine Kleider, stülpte seinen Stahlhelm über und legte seinen Waffen an. Ein paar Minuten später, im Innenhof der Tempelresidenz, traf er Rev’rend Torture. Der Inquisitor saß im Sattel seiner Maschine und hatte auch bereits Rev’rend Sweats Maschine startklar gemacht.
Seit einem Jahr etwa funktionierten die Motorräder wieder. Rev’rend Rage war der Ansicht, dass langes Fasten und Beten zu der so unverhofft wiederhergestellten Einsatzbereitschaft geführt hatten. Daran zweifelte Rev’rend Sweat allerdings insgeheim: Zur gleichen Zeit wie die Motorräder nämlich begannen auch die Maschinen, Laserwaffen und elektrischen Lichter der Gottlosen wieder zu funktionieren.
»Was tust du hier, Rev’rend Torture?«, sprach er den Großinquisitor an. »Hat dich auch der Erzbischof geweckt und in den Kampf geschickt?«
»Nein.« Torture hielt dem forschenden Blick des Bischofs stand. »Ein Traum weckte mich. Im Traum erschien mir der Engel des HERRN und gebot mir, dich zur Stadtmauer zu begleiten.«
Rev’rend Sweat sah es den Schielaugen des anderen an, dass er log. Irgendjemand hatte ihm wohl verraten, dass man den Bocksköpfigen vor den Mauern Waashtons gesehen hatte; vermutlich Rev’rend Bonebreaker, der die Nachtwachen der Tempelresidenz befehligte. Der war ein enger Vertrauter des Inquisitors.
Rev’rend Sweat jedoch zog es vor, Rev’rend Torture nicht zur Rede zu stellen. Wortlos stieg er in den Sattel seiner Maschine und warf den Motor an. Seite an Seite fuhren sie aus dem Hof und steuerten dann das Westtor an.
An vielen Fenstern und Maueröffnungen zeigten sich die Silhouetten von Männern und Frauen. Der Motorenlärm riss die Bewohner der Gottesstaat-Enklave aus dem Schlaf. Auch hatte trotz nächtlicher Stunde das Gerücht von der Rückkehr des Bocksköpfigen bereits die Runde gemacht.
Die wachhabenden Soldaten der Bunkertruppe beäugten die beiden Gottesmänner misstrauisch, als diese später die Wendeltreppe zum Wehrgang hinauf gestiegen waren und sich ein paar Schritte abseits mit Rev’rend Ripper und William Boothcase und seinen Leuten trafen. Tuschelnd besprachen sich die Männer.
»Der brave Mann hier erklärt, er und seine Freunde hätten den Bocksköpfigen gesehen«, wandte sich Rev’rend Sweat anschließend an die beiden Wachhabenden auf dem Westtor.
»Schon möglich.« Der ranghöhere der beiden gab sich zugeknöpft und bedeutete seinem Untergebenen mit einer Handbewegung, ihm das Gespräch zu überlassen. »Ich habe
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