228 - Crows Schatten
etwas schmerzhaft und heiß in Peewees Rücken. Sie stürzte zu Boden und spuckte Blut. Wie eine Schlange wand sie sich und versuchte so das Tor zu erreichen. Der Kampflärm hinter ihr ebbte ab. Das Mädchen berührte die Kante des noch geschlossenen Torflügels, packte ihn und zog sich in die Stadt hinein.
Peewee rollte sich zweimal zur Seite, dann lag sie am geöffneten Torflügel. Jetzt konnte sie wieder auf den Kampfplatz sehen. Überall lagen stöhnende, zuckende oder reglose Leiber. Nur einer stand auf seinen Beinen. Er trug einen zerfetzten Lederponcho. In der Linken hielt er einen Stahlhelm, in der Rechten Calypsos Laserstrahler. Er ging von Mann zu Mann, richtete den Lauf des Gewehrs auf ihn und drückte ab.
Peewee packte den Torflügel. Er ließ sich kaum bewegen. Wo war bloß ihre Kraft geblieben? Ihr Rücken brannte, als würde er in Flammen stehen.
Der Mann mit dem Stahlhelm in der Linken und dem Laserstrahler in der Rechten kam jetzt auf das Tor zu. Er hatte einen Ziegenbockschädel. Nur die Hörner fehlten.
Peewee öffnete den Mund, um zu schreien. Kein Ton kam über ihre Lippen. Der Ziegenbockschädel richtete den Lauf des Strahlers auf sie.
***
Geschirr klapperte in der Küche, jemand packte Teller und Besteck auf den Servierwagen. Die Leute schwatzten und lachten, ein Mann und vier Frauen. Der Feierabend nahte. Es wurde auch Zeit. Mit dem Abendessen der Rev’rends endete der lange Arbeitstag der Dienerschaft in der Küche der Tempelresidenz.
»Wer wird wohl heute Abend uns Rev’rends servieren?« Der alte Rev’rend Lightning grinste und zwinkerte Margot zu. »Ich denke, du bist dafür genau die Richtige.« Er trat so dicht zu ihr an den Herd, dass ihre Arme sich berührten. Die schöne Margot ließ es geschehen. »Dann wollen wir den Brei zuerst einmal kosten, nicht wahr?« Der Rev’rend schnappte sich einen Löffel, ging auf die Zehenspitzen und beugte sich über den Rand des hohen Topfes. Aus ihm dampfte der brodelnde Getreidebrei. Er tauchte den Löffel hinein.
Margot packte ihn mit der Rechten am Hosengurt und mit der Linken am Kragen. Sie hob den völlig verblüfften Alten hoch und tauchte ihn kopfüber in den dampfenden Topf.
Augenblicklich verstummten Gelächter und Geplauder in der Küche. Rev’rend Lightning strampelte mit den Beinen und fuchtelte mit den Armen, doch Margot hielt ihn mit eisernem Griff über dem Topf fest.
»Bist du wahnsinnig?!«, brüllte der einzige Mann des Küchenpersonals, ein Hilfskoch. Er riss eine Fleischeraxt vom Wandhaken und stürmte zum Herd, wo Margot den immer schwächer strampelnden Rev’rend festhielt und keine Miene verzog. »Hol ihn da raus!« Der Koch holte zum Schlag aus.
Margot spreizte ihren rechten Mittelfinger am Hosenbund des zappelnden Rev’rends ab und richtete ihn auf den Axtschwinger. Ein Feuerstrahl löste sich aus dem Finger und fuhr dem Hilfskoch in die Brust. Sofort fingen seine Kleider Feuer. Er schrie, ließ die Axt fallen und klopfte auf den Flammen herum.
Margot zog den erschlafften Körper des Rev’rend aus dem Breitopf und warf ihn daneben auf den Herd. Der Alte rührte sich nicht mehr. Sie bückte sich nach der Fleischeraxt und spaltete dem brennenden Koch den Schädel. Die Frauen flohen schreiend in alle Richtungen. Eine sprang aus dem Fenster, zwei schlossen sich in der Vorratskammer ein, eine stolperte und starb unter den Axthieben Margots.
Margot ging zur Tür und öffnete sie. Ohne Eile aber zielstrebig schritt sie durch die Zimmerflucht des Erdgeschosses und stieg die Treppe hoch. Blut tropfte von der Axt in ihrer Rechten. Auf den Stufen begegnete sie ihren Kindern. Das kleine Mädchen deutete nach oben und ging voran. Margot und die Zwillinge folgten ihr.
***
Hagenau war der Erste, der aufsprang und zu applaudieren begann. Er war sprachlos vor Begeisterung.
»Bravo, bravo!« Auch Laurenzo stemmte sich aus seinem Sessel und klatschte in die Hände. »Bravo! Das war traumhaft, möchte ich sagen! Bravo! Albtraumhaft geradezu!«
Horstie von Kotter atmete tief und hörbar durch, als wäre eine gewaltige Last von ihm abgefallen. Er beugte sich vor, drückte auf ein grünes Lichtfeld, das daraufhin orange leuchtete, und anschließend auf ein orangefarbenes Lichtfeld, das dann grün zu leuchten begann. Viel veränderte sich nicht auf dem großen Monitor über der Schaltkonsole – das Bild wurde nur etwas dunkler, und die vorbei gleitenden Fassaden wirkten jetzt grober in ihrer Struktur und erheblich weiter
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