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2284 - Die Fliegenden Rochettes

Titel: 2284 - Die Fliegenden Rochettes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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gerät jemand in einen gewissen Erklärungsnotstand?"
    „Genau."
    Imberlocks Dogmen hatten seit dem Erwachen seines Gottes an Profil verloren. Sie vermochten den Gläubigen keine Sicherheit mehr zu geben - was aber nun mal die wichtigste Funktion einer Religion war.
    Daher das hochgestochene Brimborium, mutmaßte Picco, über Gon-Os Entscheidung und den „Tag der Verkündung". Somit hielt scheinbar wieder jeder Einzelne sein Schicksal in der Hand. „Er gibt seinen Affen Zucker, nämlich ein klares Ziel: Seid brav, dann ..."
    „Hat Imberlock das wirklich sein Gott eingeflüstert, oder ist es auf seinem eigenen Mist gewachsen?"
    „Schwer vorstellbar, dass Orbhi seine Leute pausenlos hundertprozentig kontrollieren kann.
    Das sind schließlich ganz schön viele, und bestimmt steht der Kerl nicht im Rang einer Superintelligenz. Hoffe ich. Ich denke, er impft den Übernommenen dauerhafte Treue ein, muss ihnen aber gewisse Freiheiten lassen. Das wird auch für die Führungsschicht gelten."
    In den praktischen Auswirkungen, fürchtete Picco, machte das wenig Unterschied. Imberlock war durchdrungen von Sendungsbewusstsein, so oder so besessen. „Wenn er sich mal nicht die Zähne ausbeißt. Die Menschheit hat noch jedes Joch abgeschüttelt", sagte Gertraudis, in der tiefen, rauchigen Stimme hörbar Stolz auf die lange Tradition des ertrusischen Widerstands.
    Picco nickte heftig, was er sogleich bereute. „Aua!"
    Das in den Kragen seines Hemds eingearbeitete Telekom-Modul summte. Er aktivierte es, indem er mit dem Finger darauf klopfte.
    Ein kleines Holo erschien dreißig Zentimeter vor seiner Nase, zeigte aber nur eine silbrig flimmernde Fläche. Er defokussierte, sodass sich seine optische Fixationsebene verlagerte.
    Aus dem Flimmern schälte sich ein dreidimensionaler Kringel. Ein... Regenwurm. Picco atmete tief durch. „Das ging aber flott", murmelte er, dann schaltete er wieder ab.
    Gertraudis blickte ihn forschend an. „Was war das?"
    Er zögerte kurz, dann beschloss er, sie einzuweihen. Auf die Fängerin war Verlass, und sie würden jeden Mann, Pardon: jede Frau benötigen. „Ich war bei der Gruppe Sanfter Rebell, damals, als uns die Arkoniden besetzt hatten. Ziviler Ungehorsam, verstehst du? Wir haben den Rotaugen ganz schön zugesetzt."
    Er lachte trocken. „Sieht aus, als ginge es wieder los. Soeben habe ich die Botschaft erhalten, dass sich unsere Zelle erneut formiert. Nach fast dreißig Jahren ... Was ist, hättest du Lust, dich uns anzuschließen?"
    Gertraudis grinste übers ganze kantige Gesicht, strich sich über den Sichelkamm, dass es knisterte. Dann zitierte sie eine legendäre Parole. „Ertrus fällt nicht." 12."
    Gertraudis Rubor freute das Vertrauen, das Picco ihr gegenüber an den Tag legte, mindestens so sehr wie die Veränderung, die mit dem Jongleur vorgegangen war.
    Eben noch hatte der drahtige plophosische Knilch Mühe gehabt, aus den schwarz unterlaufenen Augen zu sehen. Nun strahlte er geradezu. „Prima. Lass uns gehen. Bis zur Nachmittagsshow bleiben uns noch zweieinhalb Stunden. Das sollte für eine erste Kontaktaufnahme reichen."
    Er warf sich eine gefütterte Synthlederjacke um und schlüpfte in seine Stiefeletten. Dann, bereits auf dem Weg zur Tür, stutzte er plötzlich. „Mist!"
    „Ja?"
    „Mir ist gerade etwas eingefallen, was mir gewisse Bauchschmerzen bereitet."
    „Nämlich?"
    „Wenn mich nicht alles täuscht und sein publizierter Lebenslauf stimmt, hat sich Carlosch Imberlock 1304, mit kaum dreizehn Jahren, ebenfalls der Gruppe Sanfter Rebell angeschlossen..."
    In diesem Augenblick flackerte das Trivid-Bild. Die Regie, die bisher eine Totale der betenden Tausendschaften am Vesuv gezeigt hatte, schnitt zurück zu einer Nahaufnahme des Predigers. „Danke, meine Brüder und Schwestern. - Ich bitte noch einmal um erhöhte Aufmerksamkeit, denn ich habe etwas sehr Wichtiges bekannt zu geben."
    Gertraudis bedeutete Picco, dass sie noch kurz abwarten wollte. „Ich bin derjenige, der Gon-Os Macht auf Erden vertritt", sagte Imberlock. „Und ich weiß: Wenn der eine und einzige Gott die Menschen zu seinem Volk machen will, muss mit dem Aufbegehren einzelner Verstockter gerechnet werden."
    Die langsam und bedeutungsvoll gesprochenen Sätze des Bärtigen wurden von leiser, dramatischer Musik untermalt. Am Horizont hinter ihm wetterleuchtete es; dabei konnte es sich freilich auch um geschickt eingesetzte Lichteffekte handeln. „Terraner", sagte Imberlock, „waren noch nie

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