2284 - Die Fliegenden Rochettes
„Hobbla", sagte der Mann erschrocken und stierte sie aus blutunterlaufenen Säuferaugen an. „Wer bissen du?"
„Ashanty Paz, der Ersatz für Babett. -Und du musst Picco sein."
„Gansch reschd; mussich, ob ischs will oder nich'. He, dassis gut: Paz, der Ersatz. Hassu ssufällich wassu trinken, Pazder-Ersatz?"
„Nein. - Los, troll dich, es ist spät. Du gehörst ins Bett."
„Ich gehör nirgends hin", lallte er weinerlich. „Mich braucht keiner, und ich brauch auch nix.
Nur wassu trinken."
„Na schön." Sie ergriff den Mann, der etwas größer und deutlich schwerer als sie war, am Revers seiner Jacke, stemmte ihn hoch und hängte ihn mit dem Kragen an einen Garderobenhaken. „He", rief er zappelnd. „Was soll das?"
„Jetzt sage ich dir was, Meister Picco. Aber nur einmal, also pass gut auf. Morgen Mittag, mein Lieber, bist du entweder ausgenüchtert und einsatzfähig -oder ich schnalle dich auf die Zielscheibe, und ich werfe mit deinen Messern. Kapiert?"
„Das würdste niemals nich tun." Er kniff die Augen zusammen, sah sie forschend an. „Doch, würdste."
„Worauf du einen lassen kannst. Aber in deiner eigenen Kabine."
„Okay, okay. Heb mich wieder runter, dann gehe ich schnurstracks in die Heia."
„Moment noch." Sie holte einen Streifen mit Tabletten aus ihrer Reiseapotheke. „Davon nimmst du jetzt zwei und morgen früh nochmals."
„Ssu Befehl, Frau Staatssekretärin."
Ansatzlos klebte sie ihm eine, dass es im Gang schallte. „Keine Ahnung, wie du das mitgekriegt hast", sagte sie leise, „aber ich will nie wieder etwas davon hören, klar? Hier geht es um verdammt viel mehr als deinen Weltschmerz. Deine Kameraden könnten sterben, nur weil du undisziplinierter Schluckspecht den Sabbermund nicht halten kannst."
Picco rieb die Wange, auf der sich ihre Finger abzeichneten. „Das hat wehgetan", sagte er, klar und deutlich, ganz ohne Zungenschlag. „Danke.
29.
Nach dem Frühstück brieften sie zuerst Picco, der zwar übernächtigt, jedoch geistig erstaunlich frisch wirkte.
Dann erklärte Homer, dass er eine Möglichkeit sähe, wie man vielleicht doch gegen Gon-O vorgehen könne. Er bat die Ensemblemitglieder um Verständnis, dass er sie aus Sicherheitsgründen erst so spät wie möglich über die Details informieren würde, und zog sich mit Mondra und Matti in dessen Büro zurück.
Jenes kurze Flackern, das über den Bildschirm in der Wetterstation gegangen war, hatte mehrere Dutzend Zeitraffer-Bilder enthalten, die ihm NATHAN auf diese Weise übermittelt hatte. Mit Hilfe seines fotografischen Gedächtnisses hatte Homer die Bilder inzwischen rekonstruiert und einen Stoß von Skizzen angefertigt, die er nun auf dem Schreibtisch ausbreitete. „Rings um den Tempel der Degression und den schwarzen Kristallstock sind gewaltige Bauarbeiten im Gang. Und im ganzen Großraum werden neue Stadtviertel für die Jünger geradezu aus dem Boden gestampft, ohne jegliche Rücksicht auf historische Bausubstanz."
„Imberlock will Neapel zum Nabel der Welt machen", bekräftigte Mondra, die sich intensiv mit der Sekte und den Vorgängen am Vesuv auseinander gesetzt hatte. „Da muss er natürlich die entsprechende Infrastruktur bereitstellen."
„Außerdem werden Vorbereitungen für den Tag der Verkündung getroffen. Wenn am fünfzehnten April Gon-Orbhon persönlich auftritt und bekannt gibt, ob er die Terraner als sein Volk annimmt oder nicht, soll ein Heer von Jüngern das Urteil hören."
Dafür wurden die Hänge des Vesuv brutal zubetoniert. Eine riesige, hässliche „Gottestreppe" war im Entstehen, die Platz für Hunderttausende, wenn nicht Millionen Gläubige bieten sollte. „Die Umgebung des Vulkans verwandelt sich in eine Alptraumlandschaft", konstatierte Mondra, nachdem sie Homers Skizzen durchgeblättert hatte. „Ein Hochsicherheits-Areal mit dem Charme eines Konzentrationslagers. Überall Tasterstationen, Energiezäune, Wachtürme, Kasernen ... Tempel, Quarzbrocken und Stadt sind extrem gut abgeschirmt. Selbst mit den Mitteln des TLD käme man da nicht bewaffnet rein und schon gar nicht nahe genug ran, um Gon-0 angreifen zu können."
„Vielmehr werden, leider, leider, die Mittel des TLD eingesetzt, etwaige Attentate zu verhindern", erinnerte Homer. „Nirgendwo ist die kleinste Sicherheitslücke zu erkennen. Und außerdem hängt nur einen Kilometer über der Spitze des Vesuv der Kybb-Titan."
Matti fragte: „Was ist mit der Küstenseite?"
Mondra zeigte ihm, dass auch der
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