2284 - Die Fliegenden Rochettes
spielen.
Kaum hatte er sich gesetzt, erhob sich Ashanty Paz und rief: „Ich möchte ebenfalls einen Toast ausbringen. Auf Sirene! Alte Schwedin, du warst heute Nachmittag bei der Razzia schlichtweg großartig!"
„Du aber auch", erwiderte Mattis Gemahlin. „Ich dachte, ich pinkle mir ins Hemd, als du mit der Gmundener Keramik anfingst."
Die Frauen hatten Matti und „Paul" nach ihrer Rückkehr vom Schneeberg haarklein beschrieben, wie sie den TLD-Jungspund und seinen Gott Gon-O übertölpelt hatten.
Abermals hatte Matti im Geist den Hut gezogen vor der Kühnheit, die ihre Neuzugänge an den Tag legten. Was Planung und improvisierte Durchführung betraf, tanzten sie auf einem seidenen Faden, der noch viel dünner war als das Hochseil in der Zirkuskuppel.
Und das Wagnis hatte sich gelohnt. Dank der Inspektion durch TLD-Agenten, noch dazu angeführt von einem Jünger Gon-Os, war Norman alias Rosina nunmehr aktenkundig, ergo besser getarnt denn je. Ein weiterer Klonelefant auf einer, wie Adams geschätzt hatte, zweistelligen Liste, dessen Überprüfung ein negatives Ergebnis erbracht hatte.
Und, nebenbei, eine wichtige Erkenntnis, dachte Matti: Der ungeheuer mächtige Gott Gon-Orbhon mag eine erdrückende Masse von Individuen in seinen Bann ziehen können. Aber er sieht nie besser als die Augen, durch die er blickt; und er ist immer nur jeweils so schlau wie das Gehirn, dessen er sich bedient.
Paul Frajune verließ die Tafel als Erster. „Mit deiner Erlaubnis, Herr Direktor", sagte er, „sehe ich mir noch kurz die Buchhaltung an.
Und danach lege ich mich ein zweites Mal in deine Badewanne, wenn's gestattet ist. Morgen, nach dem Frühstück, sprechen wir über Neapel und über Schweber Nummer zwölf. - Gute Nacht allerseits!"
Er eilte aus dem Zelt, ein Bein ganz leicht nachziehend.
Neapel, echote es in Mattis Gehirn. Das ist klar. Aber was hat Schweber Zwölf damit zu tun?
Klick, klick, klick, machten seine kleinen grauen Zellen. Dann fielen alle Puzzlesteine an ihren Platz.
Matti erkannte schlagartig den wahren Grund dafür, warum das so ungleiche Duo (oder Trio, wenn man Norman mitzählte) sich ausgerechnet den Circus Rochette als Versteck ausgesucht hatte.
Ihm wurde kalt, viel kälter noch als im Eiswind oben am Gipfel des Schneebergs.
Es muss furchtbar sein, zitierte Matti sich selbst, wenn eine fremde Macht von einem Besitz ergreift und man nur mehr willenloses Werkzeug ist, entrechteter Spielball weit höherer Interessen ...
Ohne ein Wort der Erklärung stand er auf und rannte in seine Kabine. Dort beglotzte er sich im Garderobenspiegel. „Gon-0 bist du bis jetzt entgangen, Matti di Rochette", sagte er rau zu seinem Ebenbild. „Aber Homer >Paul< Gershwin >Frajune< Adams legt dir nur unwesentlich lockerere Zügel an.
27.
Der Nämliche schlug gerade die Hände zusammen angesichts des Chaos, das Matti di Rochette für eine Jahresbilanz ausgab, als hinter ihm die Tür aufging und ein kalter Luftschwall seinen buckligen Rücken streifte.
Homer fuhr herum.
Babett Bündchen schenkte ihm ein Lächeln, das jahrmillionenalte Quarzbrocken erweichen konnte. „Keine Sorge, ich will dich nicht bedrängen", gurrte sie. „Ich weiß doch, was du am Hals hast. Nur ... ist dir eigentlich bewusst, dass du ein sehr attraktiver Mann bist?"
Fünfte Attraktion: Diverse Jonglagen 23. März 1333 NGZ 28.
Sie erwachte, weil sie etwas gehört hatte. Schritte. Das verstohlene Aufsetzen von Kreppsohlen auf kurzen Grashalmen. Jemand schlich um die enge Behausung, in der sie sich zur Ruhe gebettet hatte.
Sie rieb sich die Augen, brauchte erschütternd lange zur Orientierung.
Ich heiße Ashanty Paz, betete sie sich vor, und bin weder TLD-Agentin noch LFT-Sonderbeauftragte, sondern Tanzlehrerin und Aushüfs-Akrobatin. Wenn sich da draußen mitten in der Nacht irgendwelches Gelichter vergnügt, ist das nicht mein Bier.
Mondra Diamond wäre sofort aus dem schmalen Bett gesprungen, hätte sich angezogen und nachgesehen. Aber Mondra war weit, unendlich weit weg; und Ashanty war nicht von Berufs wegen paranoid, sondern schlichtweg hundemüde vom harten Training.
Sie rollte sich auf die Seite, kuschelte sich in die Steppdecke und versuchte weiterzuschlafen.
Eben war sie eingenickt, da kratzte es an der Kabinentür.
Jemand befand sich draußen im Verbindungsgang des Personalschwebers und fummelte an ihrem Schloss!
Ashanty tappte im Dunkeln nach ihrem Bademantel, zog ihn an, lief zur Tür und riss sie auf.
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