2290 - Daellians Kampf
vielfältig verbesserten und verstärkten Sinne, sie machten ihn zu einem unvergleichlichen Wesen, das einem herkömmlichen Menschen um einiges voraus war.
Und dennoch war er ein Nichts. Ein erbärmlicher Rest Körperlichkeit, eingesperrt in einem sargähnlichen Behältnis.
Daellian ließ die trübseligen Überlegungen hinter sich und widmete sich dem Alltagsgeschäft. „Ich denke, dass jeder hier ins Schwitzen kommt", sagte er knarrend, „vor allem wegen der Hitze, hier in der Korona der Sonne Dyon, mit nahezu einhunderttausend Grad Kelvin ringsum. Aber man kann auch vor Furcht schwitzen. Nicht wahr, Wasarkun?"
Daellian lachte, modulierte dabei seine Stimmlage. Heraus kam ein Gekrächze, das der Zentralebesatzung des Schiffs durch Mark und Bein gehen musste.
Und tatsächlich - sie wandten sich kurz ab, als ob er dadurch ihre Reaktion nicht erkennen könne: Am Nackenansatz von Major A. A. Cordable, dem Stellvertretenden Chefingenieur, bildete sich eine prächtige Gänsehaut, während sich die raue Körperoberfläche seines Kollegen Szam-Soon in Falten legte. Typisch für Swoons, denen es graute.
Einzig Oberstleutnant Dooram, der Posbi und Leiter der Logistikabteilung, drehte sich interessiert in die Richtung von Daellians Sarg. Seitdem die kleine Entsatzflotte aus der Milchstraße hier in der Großen Magellanschen Wolke eingetroffen war, stand er vermehrt im Einsatz und vollbrachte bemerkenswerte Leistungen - soweit man dies bei einem Roboter mit Bioplasma-Komponente beurteilen konnte. Und nebenbei nutzte er jene Zeit, die er in der Zentrale verbrachte, um ihn, den Mann im Sarg, zu beobachten. Sah oder suchte er Ähnlichkeiten? „Wie sieht es aus?", fragte Daellian. „Irgendwelche Anzeichen, dass uns Gon-Os Truppen ausgemacht haben?"
Wasarkun DeMool verneinte. „Wir stehen so tief wie möglich im Ortungsschatten Dyons. In der letzten halben Stunde, während du ... geruht ... hast, sind uns ein paar Flares ganz schön auf die Pelle gerückt."
„Das ist eine äußerst unpräzise Ausdrucksweise, Wasarkun! Ich bitte um einen genauen Bericht."
Der Olympgeborene schlug in einer lächerlichen militärischen Reaktion die Hacken zusammen. Der Mann gehörte zwar zum Führungspersonal der RICHARD BURTON und war während der Ruhephase Ranjif Prageshs sogar nomineller Kommandant, doch den Drill seiner früheren Armeetage hatte er sich nie abgewöhnen können. „Die Belastung der Schirme lag kurzfristig bei 98,4 Prozent, gefolgt von einer ganzen Serie kleinerer Flares, massiver magnetischer Energiezuführungen sowie harter Röntgenstrahlung ..."
„Das klingt doch schon viel besser", unterbrach Daellian zufrieden. „Mit anderen Worten: nichts Neues unter der Sonne. Gibt es anderweitig Berichtenswertes? Habt ihr der Morsebotschaft von Myles Kantor Neues entnehmen können? Eine versteckte Botschaft vielleicht?"
Wasarkun schnaubte beleidigt. „Wir hätten dich in einem solchen Fall selbstverständlich aufgeweckt!"
„Selbstverständlich", echote Daellian und konzentrierte seine Wahrnehmung auf die vielfältigen Anzeigen. Holo-Matrizes in allen Größen und Formen, zwei- oder dreidimensional, stimulierten seine audiovisuellen Sensoren, zudem war er dank seiner High-Tech-Ausrüstung in gewissem Sinne direkt mit der RICHARD BURTON verbunden. Er filterte alles Wesentliche heraus, was das Schiff an Informationen hochspülte. Nur jenen biopositronischen Großrechnern, die sich um die Aufrechterhaltung der Schutzschirme kümmerten, blieb er fern. Aus gutem Grund schreckte er davor zurück, die Messwerte1 aus der Sonnenkorona direkt an sein Gehirn weiterleiten zu lassen. Für manche Dinge war der menschliche Geist einfach nicht geschaffen- zumindest nicht seiner.
Umso mehr bewunderte er die Leistungen der Emotionauten unter ihren SERT-Hauben. Im speziellen Falle die der Venusgeborenen Lei Kun-Schmitt. Die riesige Frau, fett wie eine mongronidische Dattelqualle, hielt das Schiff mit einer Leichtigkeit im unmittelbaren Umfeld der Sonne fest, als würde sie ein Steak mit einer Zange am Holzkohlenfeuer grillen.
Emissionssignal!, spürte er plötzlich einen Hinweis aus der Ortungsabteilung, und eine Zehntelsekunde später schallte bereits der Alarm durch die Zentrale.
Rasch zog Daellian seine Außensensoren aus den Schnittstellen mit dem Schiff zurück. Einen längeren Kontakt mit der irrwitzigen Häufung an Impulsen, die in einem Notfall durch die Biopositronik der RICHARD BURTON hallten, vermied er nach wie vor. „Ein
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