2295 - Die Rückkehr
tatsächlich hieß es, dass Derek Pander statt 80 Kilo plötzlich 112 wog, was sich anfühlte, als habe ihm jemand aus dem Hinterhalt einen mit Blei gefüllten Mantel übergeworfen. Es war nicht so heftig, dass er in die Knie ging, aber merklich tiefer atmen musste er auf einmal doch.
Rhico schmunzelte. „Gewöhnungsbedürftig, was?"
„Es geht schon", ächzte Derek. Und das war nur zur Hälfte gelogen. Schlimm waren die ersten paar Schritte, dann kam man einigermaßen zurecht. „Deine Kameraden sind bestimmt allesamt ohne Mikro-Antigravgenerator losgezogen, schätze ich mal", sagte der schlaksige Techniker und tätschelte das kaum handtellergroße, bonbonfarbene Gerät, das er am Gürtel trug. „Sind schließlich alles starke Männer und Frauen, oder?"
Derek nickte. Ja, niemand hatte als Schwächling gelten wollen. „Immer dasselbe", meinte Hetwaro. „Hab ich auch noch nie anders erlebt." Rhico grinste. „Nach spätestens zwei Stunden sind sie so müde, dass sie in der ersten Taverne, die sie erreichen, einfach sitzen bleiben. Und wenn sie zurückkommen, sind alle völlig erledigt."
„Es hat auch Vorteile", sagte Hetwaro mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck. „Die höhere Schwerkraft, der höhere Luftdruck ... Terraner werden weniger schnell betrunken."
„Und der Barril-Wein schmeckt besser."
„Das auch."
Derek hörte kaum hin. Einen Fuß vor den anderen zu setzen erforderte seine ganze Konzentration. Das Versorgungsgebäude, ein flacher, lehmfarbener Bau mit getönten Scheiben, lag etwa einen Kilometer entfernt am Rand des Werftgeländes, aber irgendwie schien diese Entfernung zuzunehmen, je länger sie marschierten. Dazu die drückende Hitze ... Er sah zum Himmel hinauf, von dem die Wega weiß glühend und riesenhaft auf sie herunterbrannte, durch ein faseriges Gespinst grünlich schimmernder Wolken hindurch. „Mein Bruder lebt seit etlichen Jahren in Thorta, arbeitet bei einer Handelsvertretung für medizinische Güter", erzählte Rhico munter weiter. „Er hat sich den Antigravgenerator nach und nach abgewöhnt, und heute benutzt er ihn überhaupt nicht mehr. Dafür hat er jetzt Muskeln, mein lieber Mann. Sehenswert."
„Es ist trotzdem nicht klug von ihm", brummte Hetwaro. „Ihr Terraner habt nicht die Gelenke dafür. In spätestens. zehn Jahren kriegt er Probleme."
Wenigstens hatte Derek die Empfehlung befolgt, sich einzucremen und die Schirmmütze aufzubehalten. Die Sonne konnte einem auf Ferrol mächtig zusetzen, wenn man nicht aufpasste.
Endlich erreichten sie das Gebäude, und Derek war erleichtert, unmittelbar vor dem Haupteingang wieder eine grünweiße Markierung zu sehen. Kühle und Leichtigkeit empfingen sie, als die Türen aus dunklem Glas vor ihnen auffuhren, dazu köstliche Gerüche, die ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen.
Der Kantinenraum war riesig, ausgelegt für wenigstens tausend Leute, und es war eine Menge los. Einen Moment lang glaubte Pander an einem der Tische Julian Timor sitzen zu sehen, aber dann sagte er sich, dass das ja wohl kaum sein konnte: Der Residenz-Minister führte immerhin gerade den Oberbefehl über die Flotte und hatte zweifellos anderes zu tun. Wahrscheinlich war es nur jemand, der ihm ähnlich sah.
Sie reihten sich in die Schlange ein. Während sie warteten, betrachtete er die gerahmten Aquarelle und die bunt bemalten ferronischen Holzreliefs, die in gleichmäßigem Wechsel alle Wände ringsum zierten. Davon ausgenommen war nur die dem Eingang gegenüberliegende Wand, die zur Gänze mit dicht bedruckten, schwarz umrandeten Folien bedeckt war. Was das sollte, erschloss sich ihm nicht, aber sie würden noch daran vorbeikommen.
Es gab zwei lange Warmtheken, die kleinere davon war in elegant geschwungenem Ferronisch beschriftet. Auf dem Stützpunkt arbeiteten offenbar mehr Ferronen, als Derek Pander gedacht hätte. Er beugte sich neugierig über die fremdartig aussehenden Gerichte. „Ein grüner Punkt auf dem Schild bedeutet, dass es für Terraner problemlos verträglich ist", erläuterte Hetwaro. „Probier die marinierten Fische", empfahl Rhico. „Und dazu Kartoffeln. Das ist eine gute Kombination."
Als sie sich mit ihren Tabletts auf dem Weg zu einem freien Tisch machten, kam er dazu, sich die Wand mit den Folien aus der Nähe anzusehen.
Es waren Namenslisten. Namen von Menschen und dazwischen Namen von Raumschiffen. Raumschiffen, die nicht mehr existierten. „Die Leute, die am 4. April ums Leben gekommen sind", sagte Rhico
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