2297 - Unter dem Kondensator-Dom
ruckelte mit dem Kopf, wie um eine lästige Fliege abzuschütteln, leckte über die Unterlippe und sagte dann leise, aber bestimmt: „Führ uns hin."
7.
Geister, die ich rief Das Specter brannte vor Ungeduld. Der ausschließliche Aufenthalt in jener Welt, die von den Fleischlichen als „real" missverstanden wurde, bereitete ihm jedes Mal mehr Pein.
Alles wickelte sich so entsetzlich schwerfällig ab. So ... saumselig in die Länge gestreckt.
Zugleich auf so elend wenige Dimensionen reduziert, dass man immer, wenn wieder eine kleine Ewigkeit nichts passierte, vor Frustration brüllen hätte können; also mehr oder minder pausenlos.
An den Schmerzen, die Filana trotz der Krückschiene und der lokalen Betäubung gelegentlich in ihrem Bein verspürte, weidete Spex sich geradezu. Seinen Report über die Erkenntnisse, die es vorhin gewonnen hatte, hielt es dennoch knapp. Verbale Kommunikation, auch wenn sie auf gedanklicher Ebene stattfand, ermüdete es wegen der immanenten Reiz- und Trostlosigkeit.
Ach, diese Tristesse! Um zwei Stockwerke tiefer zu gelangen, benötigten sie fast drei Minuten. Volle 17.879 hundertstel Sekunden, die für sein Zeitgefühl so weit auseinander lagen wie die Sonnen des Sternenozeans.
Endlich standen sie vor der vergilbt blaubraunen Wand, die sich auf dieser Etage an der Stelle befand, wo oben das Schott eingelassen war. „Schalt in den Trakenmodus!", forderte Spex seine Trägerin auf. Die Implantate so zu modifizieren, dass ihm deren Bedienung beliebig möglich war, hatte sie standhaft verweigert. „Das Wörtchen >bitte< kommt in deinem Vokabular nicht vor, oder?"
Spex hätte über die Schnittstelle weite Bereiche von Filanas Großhirn unter seine Kontrolle bringen können, sogar ohne dass sie es bemerkte. Mit den ungleich leistungsfähigeren und resistenteren Biopositroniken gelang ihm das schließlich auch. Jedoch wäre dieser Akt einer Vergewaltigung gleichgekommen: einem Verbrechen, welches in des Specters durchaus individueller Ethik zu den verachtenswertesten zählte. „Mach schon!" - Für übertriebene Sentimentalität bestand gleichwohl kein Anlass.
Filana betastete genüsslich mit der Zungenspitze ein winziges Herpesbläschen in ihrem Mundwinkel und produzierte damit eine haptische Sensation, die Spex zu hassen gelernt hatte. Das tat sie inzwischen nur ihm zu Fleiß. Wahrscheinlich hielt sie diese Form der Züchtigung für subtil.
Dann wechselte sie auf Trakensinn und schwenkte den Kopf. „Ja!" Ganz oben, wenige Zentimeter unter der Decke, verlief ein Strang des Gitters.
Das Specter stürzte sich förmlich hinein.
Dieses Segment des Netzwerks war gleichfalls von der Energieversorgung der halb verfallenen, vom Permafrost zermürbten Museumsstadt abgekoppelt; jedoch weitläufiger.
Und es enthielt einen Knotenrechner, wiewohl ohne nennenswerte Datenspeicher. „Wir brauchen Strom", beschloss Filanas Quälgeist den hastigen Bericht über seinen jüngsten Ausflug. „Viel. Mehr, als meine Akkus hergeben."
„Die Batterien der Einsatzanzüge?", schlug sie vor. „Nicht ausreichend."
„Wenn wir sie parallel schalten? Quasi auf Stern-Fünfeck?"
„Mach dich nicht lächerlich. Trotzdem zu wenig. Diese Hybrid-Systeme sind, wie soll ich es laienhaft ausdrücken ... steif. Richtig schwere Traktoren, keine Sportgleiter. Um die hochzukriegen ... Ach verdammt, glaub mir einfach!"
Also schufen sie mit einem leitfähigen Seil, das Gorm Goya aus seinem Tornister fischte, eine energetische Brücke von dem Trafo, der die spärlichen Leuchtkörper speiste, zum Gitterstrang. Während sie daran arbeiteten, verstärkte sich in Filana das Gefühl, dass das einzigartige, aus Maykie „Mole" Molinas entstandene Wesen etwas vor ihr verbarg. „Nimm mich mit", bat sie, als sie fertig waren. „Was?"
Die Reaktion wummerte in ihrem Kopf wie ein polyphoner Schrei. „Mit hinein, ins Netz.
Dafür war die Schnittstelle ja von Anfang an gedacht."
Filana öffnete willentlich ein Fenster in ihre Biographie: wie sie die Befähigung der Posbis fasziniert hatte, in digitalen Gebilden gleichsam „persönlich nachsehen gehen" zu können - erstmals, als ihr Mentor Zwürbal einen Störfaktor im Botschaftsrechner von Hayok verfolgte, der übrigens niemand anders gewesen war als das Specter. Wie sie sich deshalb später, quasi eigenhändig, eine hypertoyktische Verzahnung installierte.
Und wie enttäuscht sie war, als die positronischen Bewusstseins-Erweiterungen nicht annähernd so gut
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