2297 - Unter dem Kondensator-Dom
empirische Beweis.
Abermals wandte es seine Fähigkeit der Para-Manifestation an. Es „sprang" aus den Röhren und kroch als elektrische Spannung durch die umliegenden Gemäuer.
Dabei dezentralisierte es sich, was einerseits die Anstrengung erhöhte, jedoch andererseits die Suche beschleunigte. Lange durfte es in diesem Zustand, getrennt von Nabelschnur und Seelenanker, ohnehin nicht verweilen.
Die aufgesplitterte Seinsform schmerzte. Es kostete Spex viel Willensstärke, die Einheit seiner immer weiter auseinander strebenden Partikel zu bewahren, nicht die Markscheide zu überschreiten, ab welcher der Diffusionsprozess fatal unumkehrbar wurde. Zentrifugale Kräfte zerrten und schmirgelten an seinem Selbstbewusstsein. Schon drohte der Kontakt zu den am weitesten entfernten Teilchen abzureißen ...
Da stießen einige von ihnen auf ein Gitter, das dem ersten aufs Positron glich.
Dieses Netzwerk-Fragment war ebenfalls stillgelegt. Spex konnte sich also darin nicht rekonstituieren und „erholen".
Hurtig, fast schon panisch zog es, nicht ohne Mühe, seine Informationsquanten wieder zusammen. Die ungefähre Distanz und Richtung, in der die zweite Halle lag, eruierte es noch, dann rettete es sich zurück in die Röhre, zur Nabelschnur.
Höchst interessant war dieses Erlebnis gewesen, jedoch gleichermaßen abscheulich. Sich aufzulösen, in den Wänden zu verströmen ... brrr!
Das Specter gönnte sich eine lange zehntel Sekunde, während der es im warmen Puls seiner Lebensader badete. Erfrischt, wenngleich immer noch etwas tatterig, schwamm es danach entlang des Fadens zu seinem Ausgangspunkt. Es schlüpfte in die Module, wo es nochmals kurz verharrte, bevor es in Filanas Gehirnerweiterung überwechselte. „Gestehe - du hast mich vermisst!"
Die Karonadse überschlug sich nicht unbedingt vor Begeisterung und Wiedersehensfreude. „Scherzbold, du warst gerade einen Atemzug lang fort."
„Undank, Undank, Undank. - Jetzt mach dein Zuckermündchen auf und sprich mir nach ..."
„He, alter Sti..., wollte sagen, Stichwort aalte Leitungen", stotterte die Positronikerin, Letoxx adressierend. „Weißt du, was sich zwei Stockwerke unter uns befindet?"
„Selbstverständlich. Wieso?"
„Nun, äh ... äh ..."
Gorm Goya wechselte einen Blick mit Hajmo Siderip. Der Xenopsychologe schob die rechte Augenbraue einen halben Millimeter nach oben. Er hatte also ebenfalls bemerkt, dass Filana wieder verwirrter wirkte.
Es schien, als schlügen nach einer Phase der Konsolidierung die negativen Nebeneffekte der experimentellen positronischen Implantate von neuem durch. Dies äußerte sich in einem Verhalten, das einer schizophrenen Persönlichkeitsstörung nahe kam.
Gorm bemühte sich gewöhnlich, gegenüber seinen jeweiligen Schutzbefohlenen eine neutrale, professionelle Position einzunehmen. Ob er die Personen, für deren Sicherheit er verantwortlich war, mochte oder nicht, durfte seine Entscheidungen in keiner Weise beeinflussen - Entscheidungen, die manchmal in Sekundenbruchteilen getroffen werden mussten.
Dennoch war ihm Filana Karonadse in den letzten beiden, so ereignisreich verlaufenen Tagen ans Herz gewachsen. Die an Selbstverleugnung grenzende Opferbereitschaft der jungen Frau berührte ihn eigenartig. Sie hatte für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn schwerste persönliche Einbußen in Kauf genommen.
Was machte denn einen Menschen aus, wenn nicht das Streben nach Liebe und Freundschaft?
Filana hatte diese privaten Bedürfnisse hintangestellt, mehr noch: durch ihre Selbstversuche deren Befriedigung weitgehend verunmöglicht. Trotzdem -und das nahm Gorm besonders für sie ein - begegnete sie anderen ohne Verbitterung, ohne Zynismus oder Gereiztheit.
Wie aber mochte es tief in ihr aussehen? Unzweifelhaft litt sie Qualen, die „Normale" wie er sich nicht im Mindesten auszumalen vermochten.
Ihre Stimme schwankte, als ränge sie innerlich mit sich selbst. „Wir... ich habe Grund zur Annahme, dass dort eine zweite Lagerhalle für Kyber-Neutros existiert. Oder ... hat."
„Unsinn!", schnappte Iant Letoxx, wobei er seine nadelspitzen Gebissstacheln entblößte. „Dort haben wir damals zuallererst nachgesehen. Es gab nämlich einen Fehler in den alten Aufzeichnungen."
„Inwiefern?", fragte Hajmo. „Der Aufenthaltsort der Neutros war mit Etage 52 angegeben. Aber das hat sich als falsche Kodierung entpuppt. Da unten ist alles zubetoniert worden, nahezu die gesamte Ebene besteht aus massivem Plaststein."
Filana
Weitere Kostenlose Bücher