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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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züchtet. Er hat den Zusammenhang des einzelnen mit dem Ganzen begriffen und weiß, daß der erstere nicht aus dem letzteren gerissen werden kann, um ausgestoßen und von der geistigen Feindseligkeit abgetan zu werden. Er kennt die Strömungen und Gegenströmungen der übersinnlichen Atmosphäre, die frei von den Ausdünstungen egokranker Menschenkörper sind, und hebt jeden seiner Nächsten, bevor er ihn betrachtet, zu dieser durchsichtig klaren, reinen, keine Mißgunst kennenden Höhe empor.“
    „Aber was dann, wenn es geschieht, daß er selbst einmal angegriffen, befeindet, verleumdet und verurteilt wird?“ fragte der Ustad.
    „So tut er eben das, was ich jetzt sagte: Er hebt die Angreifer aus ihrer Tiefe zu sich empor, um sie zu durchschauen. Da fällt der ganze Schmutz und alles, was sie sonst noch gewichtig gemacht hat, von ihnen ab. Sie werden leicht, so über oder vielmehr unter alle Maßen leicht, daß sie vor seinen Augen nach und nach in nichts zerfließen. Sie sind ja ganz nur Schmutz und ohne jede Spur von Geist gewesen, und so versteht es sich ja ganz von selbst, daß, sobald der Unflat abgefallen ist, für ihn von ihrer ganzen Existenz nichts mehr vorhanden sein kann.“
    „Aber er wird doch antworten? Sich verteidigen?“
    „Welch eine Frage! Ich habe dir doch soeben gesagt, daß sie für ihn in nichts zerflossen seien. Wem soll er antworten? Diesem Nichts? Das wäre ja doch Widersinn! Oder dem Schmutz? Der geht ihn gar nichts an. Er ist der ihrige! Dem Geist, den es bei ihnen gar nicht gibt? Ich begreife dich nicht! Würdest etwa du antworten?“
    Da tat er einige rasche Schritte auf mich zu und rief aus:
    „Effendi, ich habe es getan. Ich habe geantwortet – – – leider, leider, leider!“
    „Dem Schmutz?“
    „Ja.“
    „Dem Nichts?“
    „Nein. Ich stand ja, wie ich jetzt, erst jetzt einsehe, nicht so hoch über meinen Feinden, daß sie mir in ein Nichts zerfließen mußten. Und nun erkenne ich, daß auch ich nicht frei von Schmutz gewesen sein kann. Denn hätte er nicht auch an mir gehaftet, so wäre mein Verhalten ganz das jenes hohen, freien Geistes gewesen, von welchem du gesprochen hast. Mir scheint, ich habe Fehler einzugestehen, die mir bis zur gegenwärtigen Stunde keineswegs als Fehler erschienen sind. Du hast heut da drüben bei unserm Beit-y-Chodeh dem Peder gebeichtet. Ich war tief im Herzen gerührt davon. Deine mutvolle Aufrichtigkeit imponierte mir. Nun bist du rein und frei von allem, was dir angehangen hat. Ich glaubte nicht, daß auch ich mich zu reinigen haben werde. Jetzt aber weiß ich, daß es doch so ist. Ich werde denselben Mut besitzen, den du besessen hast. Auch ich werde beichten, dir, wie du dem Peder. Und wenn ich dann aus deinem Mund höre, daß mir verziehen werden könne, so werde ich mich für berechtigt halten dürfen, diese Verzeihung als ausgesprochen, als geschehen anzunehmen. Ich war über das hinaus, was du das ‚erste Leben‘ nanntest. Ich stand im ‚zweiten Leben‘, denn ich fühlte, daß sich meine geistige Individualität in mir gestalten wollte. Aber es gelang mir nicht, das ‚dritte‘ zu erreichen. Warum? Wir werden nach den Gründen suchen, du und ich. Und ich ahne, daß ich in diesen Gründen meine mir bisher unbekannten Fehler entdecken werde.“
    Als er bis hierher gekommen war, hörten wir, daß unten auf dem Vorplatz jemand dreimal in die Hände klatschte.
    „Das gilt mir“, sagte er. „Der Peder weiß, wo ich bin und daß niemand zu uns kommen darf. Ich habe mit ihm, falls man meiner bedürfen sollte, dieses Zeichen verabredet!“
    Er begab sich durch das Mittelzimmer auf das Vordach. Ich hörte ihn hinuntersprechen. Dann kehrte er zu mir zurück und sagte:
    „Ich soll zum Peder hinabkommen und auch dich mitbringen. Es scheint sich um etwas Wichtiges zu handeln.“
    „Was es ist, hat man dir nicht gesagt?“
    „Nein. Ich fragte zwar, doch der Peder antwortete, er dürfe es mir nicht laut heraufrufen. Komm!“
    Wir gingen hinunter. Der Peder befand sich in der Halle, in welcher ich gelegen hatte. Tifl und ein zweiter Dschamiki waren bei ihm. In dem letzteren erkannte ich den Wächter, welcher heut am Nachmittage über Stock und Stein geritten war, um uns die Ankunft der Perser zu melden. Halef schlief fest. Hanneh war auch schlafen gegangen. Sein Sohn saß bei ihm. Der Scheik der Dschamikun empfing uns mit der des Kranken wegen nur halblaut gesprochenen, aber sehr wichtigen Kunde:
    „Der Bluträcher ist wieder

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