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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und sagte: „Das ist das Täliq-Alphabet mit einer vorwärts gerückten Wiederholung. Ich würde glauben, es sei eine sogenannte Eselsbrücke für irgendeinen Anfänger im Schreiben. Aber da auf der ersten Seite steht in derselben runden, stark nach links hängenden Schrift zu lesen: ‚Für Ghulam, den Dschellad (Henker)‘. Es ist also für Ghulam ganz besonders bestimmt. Er wird ‚Henker‘ genannt. Weshalb? War es vielleicht ein Scherz? Dann hätte er es nicht so sorgfältig aufgehoben. Hat er es vielleicht selbst geschrieben? Was sagst du dazu, Effendi?“
    „Ich kann nicht eher etwas sagen, als bis ich es gesehen habe“, antwortete ich ihm. „Ist es nur das Alphabet?“
    „Dieses und die Überschrift, die ich vorgelesen habe. Denn die paar Buchstaben, die dann noch unter ihr stehen, können wohl kaum etwas zu bedeuten haben. Es ist ein Sâ und ein Lâm.“
    „Weiter nichts?“ fragte ich schnell.
    „Noch das Verdoppelungszeichen dazwischen“, antwortete er. „Da, siehe selbst!“
    Er gab es mir. Ja, das war das mir so wohlbekannte Erkennungszeichen der Sillan! Ich wußte sofort, daß dieses scheinbar ganz bedeutungslose Doppelalphabet gewiß von großer Wichtigkeit sei. Aber in welcher Weise wichtig, das war die Frage! Es enthielt zweimal alle persischen Buchstaben vom Aelyf bis zum Jäj und sogar Lam-Aelyf. Aber die gleichen Buchstaben standen nicht beieinander, sondern die zweite Reihe war weiter fortgeschoben, so daß die letzten sieben Buchstaben nicht hinten, sondern vorn ihr Ende fanden. Wenn ich versuchen will, dies durch das deutsche Alphabet zu verdeutlichen, so bekommt diese Probe folgendes Aussehen:
    A b c d e f g h i k l m n o p q r s t u
t u v w x y z A b c d e f g h i k l m n
    v w x y z. ---
o p q r s. ---
    Es war mit Gewißheit anzunehmen, daß die bereits erwähnte Wichtigkeit dieser Zusammenstellung für die Sillan eine allgemeine, für den Multasim aber außerdem eine noch besondere sei. Ich wünschte sehr, hierüber Aufklärung zu erhalten. Aber von wem? Sie konnte mir nur durch eigenes Nachdenken werden. Jetzt aber gab es keine Zeit hierzu. Ich steckte also das Heftchen zu mir und sagte:
    „Die Buchstaben sind wahrscheinlich das, wofür du sie hieltest, nämlich eine Eselsbrücke. Der Esel ist ohne Zweifel Ghulam selbst. Jetzt interessiert mich nur der Umstand, daß er ‚Henker‘ genannt wird. Ihr kennt ihn besser als ich. Habt Ihr vielleicht schon einmal diese oder eine ähnliche Bezeichnung seiner Person gehört?“
    „Nein, nie“, antwortete der Peder. „Aber dadurch, daß er als Multasim sich mit seiner unersättlichen Habsucht an die Stelle des gütigen Beherrschers setzt, ist er wohl schon Unzähligen in Wirklichkeit zum Henker geworden.“
    „Hier fällt mir eine Ähnlichkeit auf“, fügte der Ustad hinzu. „Steuerpächter des Schah-in-Schah und Paradiespächter! Hier leibliches und dort seelisches und geistiges Henkertum! Wie manchen solchen Geist- und Seelenhenker mag es geben, der seines traurigen Amtes dadurch waltet, daß er an Stelle des einfachen und ehrlichen Alphabetes, welches uns der Herr gegeben hat, ein gefälschtes setzt! Was tun wir mit den Kleidern des Gefangenen?“
    „Sie mögen hier liegen bleiben, bis er sie morgen wieder bekommt. Das geschieht nicht eher, als bis ich ihm dieses Alphabet wieder in die Tasche gesteckt habe. Ich wünsche, daß er denken möge, es sei unentdeckt geblieben. Wenn eure Leute später den vierten Perser mit den Pferden bringen, so steckt ihn in ein besonderes Verließ. Der Multasim soll jetzt noch nicht wissen, daß wir auch noch diesen festgenommen haben. Und noch eins: Ich habe euch etwas zu sagen und zu zeigen. Das steckt in meiner Satteltasche. Wo befindet sich das alles, meine Sachen und die Waffen?“
    „In meiner Wohnung“, antwortete der Ustad.
    „Also bei dir? Ich danke dir! Das zeigt mir ja, wie wert du das Eigentum deines Gastes hältst.“
    Da ging ein ganz eigenartiges Lächeln über sein Gesicht. Er machte eine den Sinn meiner Worte abwehrende Handbewegung und sagte:
    „Es ist ein anderer Grund. Wenn du es erlaubst, werde ich dir ihn oben sagen. Soll auch der Peder mitgehen?“
    „Ja.“
    Der Genannte erteilte Tifl einige Weisungen in Beziehung auf den vierten Perser; dann begaben wir uns hinauf in die Wohnung des Ustad. Er führte uns nicht in die Balkonstube, sondern, nachdem er ein Licht angezündet hatte, in eine kleine, fensterlose Kammer, welche, wie es schien, für weggesetzte, unbrauchbar

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