23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Hand!“
„Nun?“ fragte er schnell, indem er sie mir reichte. „Was hast du beschlossen?“
„Wie gern erfülle ich dir deinen Wunsch! Nimm alles hin! Es sei dein Eigentum!“
„Alles – alles?“ rief er in unbeschreiblicher Verwunderung.
„Alles!“
„Aber weißt du, was du tust?! Du hörst auf, zu sein, was du warst und was du bist! Du kannst nie wieder solche Bücher schreiben, wie du geschrieben hast! Du stirbst! Du mußt ein völlig anderer werden! Hältst du trotzdem dein Wort?“
„Ich halte es!“
„Unglaublich! Ich erinnere dich noch einmal an die Folgen, Effendi! – Bist du berühmt?“
„Pah! Man spricht von mir. So lange man mich aber nicht begreift, muß es mir gleichgültig sein, was man redet. Wenn man mich falsch versteht, spricht man von einem Falschen, doch aber nicht von mir!“
„Das klingt so wahr, doch aber auch so kühl! Fast möchte ich es verächtlich nennen! Bedenke aber, Effendi: Wenn du nicht mehr in dieser deiner bekannten Weise schreibst, wird man gar, gar nicht mehr von dir sprechen! Dann bist du tot, tot, tot!“
„Du armer, armer Ustad! Was hast du doch für irrige Begriffe von dieser Art von Leben und dieser Art von Tod! Ich habe mich dir geschenkt, so, wie ich da an diesen Nägeln hänge. Diese Embleme meiner bisherigen Tätigkeit, sie sind – – – ich! Das Ich, welches ich war! Bin ich nun tot?“
„Ja!“
„Du irrst! Ich ging in diesem Augenblick in ein anderes Leben über, und dieses andere wird ein höheres, schöneres, edleres, unendlich wertvolleres sein. Ich schrieb eine Menge Bücher. Ich ließ mein ‚Ich‘ in ihnen sprechen. Ich wurde nicht verstanden. Ich gab das Köstlichste, was es auf Erden gibt, in irdenem Gefäß. Ich füllte diese Schalen mit einem Rätsel an und ließ die Menschheit trinken. Es tranken Hunderttausende daraus, doch allen war der Trank nichts als nur Wasser. Die Schale täuschte alle! Ich hatte es den Menschen zu bequem gemacht. Man trank gedankenlos und lachte mich dann aus. Das ist der große Fehler, den ich mir vorzuwerfen habe, weiter nichts! Der Sterbliche trinkt lieber Sumpfwasser aus goldenen Gefäßen, als Himmelsnektar aus nur irdenen. Da stieg in mir ein heißes Wallen auf. Es griff ein heiliger, wenn auch stiller Zorn in meine Seele. Nicht daß ich diese irdenen Gefäße nun zertrümmerte, o nein! Ich nahm mir vor, nun goldene zu geben, doch mit demselben Trank, den man für Wasser hielt. Ich habe mir das Gold dazu auf diesem Ritt geholt, der mich zum geistigen Haupt der Dschamikun geführt. Du ahnst wohl nicht, wo ich hier suchte und wo ich es fand. Von heute an werde ich im ‚hohen Haus‘ schreiben – – – ganz anders als bisher. Und hat man es erkannt, wie töricht man einst war, so wird man dann zurück nach jenen Schalen greifen, die man zur Seite stellte. Dann leben meine alten Werke auf. Man wird sie mit ganz andern Augen lesen; die Seele tritt hervor, die tief in ihnen lebt. Und wenn man erst den Geist erkennt, der mir die Feder gab, dann wird sie dieser Geist in alle Häuser tragen, in denen sie bisher noch nicht zu sehen waren. – – – Nun sage mir, o Ustad, ob ich mich für gestorben halten muß!“
Da streckte er mir beide Hände entgegen. Ich sah, daß seine Augen feucht waren, indem er zu mir sprach:
„Sihdi, nicht hier will ich dir sagen, was ich erkennen muß! Wir gehn hinauf zu dir. Doch sage vorher, was mit dem Brief war, den du uns zeigen wolltest!“
„Er ist nun dein“, antwortete ich.
„Mein?“ fragte er verwundert.
„Ja. Er steckt ja dort in deiner Satteltasche.“
„In – meiner – meiner – Satteltasche!“ wiederholte er lächelnd meine Worte. „Also du hast mit diesem Geschenk gewiß und wirklich Ernst gemacht?“
„Ja! Es war Ernst. Ich habe dir nichts geschenkt. Du hast mich nur befreit. Soll vielleicht ich nach diesem Brief suchen?“
„Tue es! – Dann gehen wir hinüber in mein Zimmer.“
Ich fand das Schreiben, dessen sich der Leser wohl noch erinnern wird. Ich gab es dem Ustad und ging dann hinaus, ohne mein bisheriges Eigentum noch einmal anzusehen. Da sagte der Ustad, indem sie mir beide folgten:
„Effendi, du läßt deine Berühmtheit hier zurück. Willst du fortgehen, ohne auch nur noch einen einzigen Blick auf sie zu werfen?“
„Ja“, antwortete ich. „Berühmt! Kennst du diese Art von Berühmtheit? Sie ist dämonischer Natur. Soll sie deine Freundin sein, so verzichte auf dich selbst, und gib ihr deinen Geist und
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